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Schwanken wie ein Scheich

Eine Kamelreiterin aus dem Allgäu durchquert mit ihrer Karawane Württemberg

Vor einigen Jahren hat sieals erste Frau in Abu Dhabiein Kamelrennen gewonnen

Der Aufstieg ist mühevoll, und wenn man oben ist, schwankt es tatsächlich wie ein Schiff. Kamelreiten ist zumindest für ungeübte Reiter ein durchaus ungewöhnliches Experiment. Noch viel ungewöhnlicher ist es, wenn sich eine Frau an Kamelrennen beteiligt und dabei auch noch die männliche Konkurrenz aus dem Felde schlägt. Christine Sieber hat die wohl höchste aller denkbaren Prüfungen hinter sich. Sie hat vor einigen Jahren als erste Frau in Abu Dhabi, in den Arabischen Emiraten, ein Kamelrennen gewonnen und damit auch den Respekt der Scheichs gewonnen.

„Wir waren dreieinhalb Wochen unten und haben auf den Kamelen trainiert“, erzählt die leidenschaftliche Reiterin, die mit fünf Jahren das erste Mal auf einem Pferd saß. „Normalerweise sind dort Frauen nicht mal als Zuschauerinnen zugelassen, aber da gab es eben eine Ausnahme.“ Der Grund dafür dürfte das Interesse von Scheich Zayed bin Sultan al-Nayhan sein, Kamelrennen vor allem in der westlichen Welt etwas populärer zu machen. „Solche Rennen sind dort unten von der Bedeutung her mindestens so wichtig wie bei uns ein Formel-1-Rennen. Da kommen aus dem Jemen, aus Oman, aus Saudi-Arabien, von überall her, die Staatsoberhäupter. Mitten in der Wüste ist der Rennplatz. Die Trainer fahren mit Jeeps neben den Kamelen her. Das hat schon eine ganz besondere Atmosphäre, und es ist richtig spannend.“

Jedenfalls hat Christine Sieber im wahrsten Sinne des Wortes das Rennen gemacht. Auch wenn für die europäischen Teilnehmer die Rennstrecke zwischen Dubai und Abu Dhabi von 40 auf vier Kilometer verkürzt wurde, war ihr Sieg doch ein beachtlicher Erfolg.

Vor gut einem Jahr konnte die blonde Allgäuerin dann ihren arabischen Erfolg beinahe noch einmal wiederholen, und zwar bei einem Kamelrennen in München. Sie erreichte den zweiten Platz. Sieger wurde der Kameltrainer des Präsidenten der Arabischen Emirate. „Die haben mich danach gefragt, ob ich ihn gewinnen lassen musste, weil er ein Mann ist, aber er war wirklich sehr gut.“ Mit den Kamelen kann Christine Sieber umgehen, die Tiere sind für sie nach wie vor das Höchste, manche – so scheint es dem Besucher auf der Allgäuer Kamelfarm – auch im ursprünglichen Wortsinn. Deutlich wird das, wenn man aufgefordert wird, selbst ein solches Wüstenschiff zu besteigen. „Normalerweise gehen Kamele beim Aufsteigen nicht in die Knie“, erklärt Dieter Graf den Gelegenheitsreitern. Man steigt, am besten barfuß, auf und stützt sich an den Kniegelenken der Tiere ab. Etwas unbeholfenen Gästen kommen die Allgäuer Kameltreiber entgegen, indem sie die Dromedare vorne niederknien lassen. Aber Achtung: kaum schwingt man sich in den Sattel, springt das Kamel auch schon auf!

Es ist schon ein paar Jahre her, dass Christine Sieber aufs Kamel gekommen ist. „Die Liebe zum Kamel kam eigentlich durch die Liebe zu meinem Freund“, erklärt die Kamelrennreiterin. Dieser Freund, Dieter Graf, hat in Engelbolz bei Seeg in der Nähe von Füssen eine Exotenstation betrieben und vor gut sechs Jahren mit Kameltouren durchs Allgäu begonnen. Aus dem Hobby wurde teilweise ein Beruf. Denn inzwischen bieten er und seine Partnerin stunden- oder tageweise Kameltouren an. So kann es schon mal passieren, dass Besucher des König-Ludwig-Musicals in Füssen vor der Kulisse des Märchenschlosses Neuschwanstein eine Karawane ziehen sehen und ihren Augen kaum trauen.

Bei vielen historischen Festen sind Graf und Sieber mit von der Partie und zuletzt auch bei der 50-Jahr-Feier von Baden-Württemberg. „Da gibt es eine Karawane, die in Ulm startete und bis Karlsruhe geht – durch über 50 Ortschaften und da sind wir mit drei unserer Kamele dabei.“

Daheim im Allgäu haben sie inzwischen 15 Dromedare und Kamele, bieten Ausritte an und freuen sich jedes Mal, wenn es Nachwuchs im Kamelstall gibt. „Vor einigen Wochen erst ist bei uns wieder mal ein Kameljunges geboren“, erzählt Dieter Graf. „Jeden Tag bin ich schon aufgeregt raus in den Stall, denn das ist schon immer wieder was Besonderes.“ Christine Sieber führt die Besucher hinaus und zeigt ganz stolz auf das kleine, schlaksige Ding, das mit seiner Mutter in einem eigenen Stall steht – und zwar auf unglaublich langen Beinen. „Das sieht ein wenig aus wie ein Außerirdischer“, erklärt die Kamelliebhaberin und zeigt auf die tatsächlich schier unendlich langen Beine.

Nächstes Jahr hat sie Großes vor. Da möchte sie mit einigen Freunden auf Kamelen quer durch Deutschland reiten, von Sylt bis ins Allgäu. Zu gern würde die erfahrene Kamelreiterin allerdings wieder einmal an einem Kamelrennen in Arabien teilnehmen, aber bis Ende Juli ist sie jetzt erst mal mit der Bürgerlandkarawane in der Wüste Württemberg unterwegs.

KLAUS WITTMANN

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