Bildung mit Treu und Glauben

Auch Grüne haben zu Pisa was zu sagen. Die Böll-Stiftung legt heute ein Gutachten vor

BERLIN taz ■ Sie haben zu dem gesellschaftlichen Skandal, den die Pisa-Studie aufgedeckt hat, lange geschwiegen. Und der erste Grüne, der sich äußerte, ist ein so unumstrittener Bildungs- wie Verkehrsexperte: Rezzo Schlauch. Die Gesamtschulen, so der Fraktionschef des Bundestags-Grünen, seien ein großer Fehler gewesen. Da hatte die grüne Klientel wieder was zu schlucken – bis Joschka sich äußerte: Den Gesamtschulen und überhaupt der sozialdemokratischen Bildungspolitik habe man viel zu verdanken – die De-facto-Abschaffung des wilhelminischen Gymnasiums nämlich.

Und weil die Unruhe bei den verunsicherten Parteigängern der Nicht-nur-Öko-Partei trotzdem nicht abnahm, kommt nun ein tiefgründiges Gutachten auf den Tisch. Heute wird die nimmersatte Exschulsenatorin Berlins, die grüne Bildungspäpstin Sybille Volkholz, das neueste Papier der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung vorstellen. Ein kleiner Streifzug durchs WorldWide Web förderte das 16-seitige Werk zutage, das hiermit „exklusiv“ vorgestellt sei: „Autonomie von Schule in der Wissensgesellschaft – Verantwortung in der Zivilgesellschaft“ heißt es.

Die Grünen – bzw. die Böll-Stiftung – greifen an einem zentralen Aspekt der Bildungsdebatte ein, der gleichwohl im Zuge von Pisa ein wenig in den Hintergrund getreten ist: dass Schulen viel mehr Freiräume brauchen, wenn sie richtig gut sein und nicht am staatlichen Gängelband verkümmern sollen. Schulen brauchen Freiheit bei der Umsetzung von Bildungszielen, beim Management von Personal und Ressourcen sowie mehr Unabhängigkeit von der Schulaufsicht. Fast alle Bildungsexperten und -minister sind sich heute in diesen Forderungen einig. Die Grünen sagen es, das ist erst mal gut. Ob man es versteht, ist eine andere Frage. „Kern der Autonomiedebatte“, so umkreist das neue Gutachten sein Zentrum, „ist die Neugestaltung des Binnenverhältnisses der Akteure der Institution, vor allem aber die Neugestaltung des Verhältnisses zwischen der Schule und der Schulverwaltung.“

Was das heißt? Erstens: Staatlich sind nur noch Bildungsziele vorgegeben – und die „Lehrpersonen“ sollen sie auf ihre Weise mit SchülerInnen erreichen. Oder anders: Nur noch die Hälfte des Lehrplans soll der Staat vorschreiben. Zweitens: Die Schule erhält eine neue Rechtsform („landeseigener Betrieb“) und darf ihre Lehrer fortan selbst einstellen. Drittens, und das ist der grüne Clou: Die Schule soll künftig so gut sein wie die Verträge, die über sie geschlossen werden.

Tatsächlich wollen die Böll-Bildungsleute das Verhältnis zwischen Einzelschule und staatlichen Stellen künftig vertraglich regeln. Und auch Eltern und Schule sollen so genannte Bildungsverträge abschließen. Die Idee dahinter: Der ewige Ringelpiez der organisierten Unverantwortlichkeit soll durchbrochen werden. Denn mit Verträgen lassen sich die Pflichten von Schule, Kindern und Eltern konkret definieren – und notfalls auch einklagen. CHRISTIAN FÜLLER

Die Studie gibt es unter www.boell.de/downloads/bildung/dritte_bildungskommission.pdf