Sinkflug mit verhängnisvollen Folgen

Erneut ist eine russische Passagiermaschine vom Typ Tupolew 154 abgestürzt

Für mehr als 70 meist junge Russen endete der Urlaubstrip nach Spanien tödlich. Nach einer Kollision mit einer Boeing-Frachtmaschine stürzte die Maschine vom Typ Tupolew 154 der Bashkirian Airlines Montagnacht nördlich des Bodensees ab.

Allein das Stichwort Tupolew genügt, um die Fantasie von Experten zu beflügeln. Wahrscheinlich habe der russische Pilot die Kommandos nicht verstanden, sei vielleicht sogar alkoholisiert gewesen, war nach dem Unglück zu vernehmen. Vielleicht sei auch die veraltete Technik schuld. Schließlich sei bekannt, dass viele russische Jets wegen chronischen Geldmangels nur unzureichend gewartet werden und die Verantwortlichen es mit der Flugsicherheit ohnehin nicht so genau nähmen.

Mittlerweile ist eine etwas differenziertere Theorie im Umlauf. Nach Angaben eines Sprechers der Schweizer Flugsicherung Skyguide sei das Unglück durch einen doppelten Sinkflug beider Maschinen ausgelöst worden, die damit die Kollision hätten verhindern wollen.

Doch was auch immer der Grund für die jüngste Katastrophe sein mag: Die Tupolew kommt aus den negativen Schlagzeilen nicht heraus. Seit Jahren kommt es regelmäßig zu schweren Unglücken. Im Januar 1994 sterben bei einem Absturz in Sibirien 124 Menschen, im Juni stürzt in China eine Tu-154 ab, keiner der 160 Insassen überlebte. Im Dezember 1995 kommen im Fernen Osten Russlands alle 97 Insassen ums Leben. 141 Menschen sterben bei einem Absturz einer Tu-154 im August 1996 auf Spitzbergen. Am 13. September 1997 stürzt eine Tupolew 154 der Bundesluftwaffe vor der südafrikanischen Küste ab – 33 Tote. Im August 1998 verunglückt beim Start in der ekuadorianischen Hauptstadt Quito eine Tu-154, dabei sterben 79 Menschen. Im Juli 2001 stürzt eine Tu-154 in Sibirien ab, 143 Menschen kommen ums Leben. Im vergangenen Oktober holt eine fehlgeleitete ukrainische Rakete eine Tupolew über dem Schwarzen Meer vom Himmel, 78 Menschen sterben. Bis Montagabend Schlusspunkt der Chronologie: Im Februar zerschellt ein Jet der Iran Airtours aufgrund eines Pilotenfehlers in einer Bergregion.

Vater der Tupolew ist der gleichnamige Flugzeugkonstrukteur Andrej Tupolew, der das erste Überschall-Verkehrsflugzeug der Welt als Tu-144 am 4. Oktober 1968 auf einen ersten Testflug schickte. Am 8. Februar 1972 wurde die Tupolew 154 offiziell in Betrieb genommen. Die dreimotorige Maschine mit einer Länge von fast 48 Metern und einer Spannweite von 37,5 Metern fliegt mit einer Reisegeschwindigkeit von maximal 900 Kilometer pro Stunde. Normalerweise ist das Flugzeug für 164 Passagiere ausgerüstet. Bislang wurden rund 900 Maschinen hergestellt, die eine Milliarde Fluggäste transportiert haben.

Nach wie vor ist die Tupolew der meistgenutzte Flugzeugtyp in Russland und den andern Staaten der GUS. Insgesamt benutzen 14 Länder seit 30 Jahren die Tupolew. In Iran sind derzeit 28 Tupolews 154 in Betrieb, Aufträge für die Lieferung von zwei bis drei Fliegern an Teheran liegen bereits vor.

Nach dem Unglück vom Februar verwahrte sich der Chefkonstrukteur der Tupolew-Werke, Alexander Schengardt, energisch gegen Vorwürfe und Kritik. Die Maschinen, so Schengardt, entsprechen eindeutig dem Sicherheitsniveau ausländische Flugzeuge. BARBARA OERTEL