Frau & Job – nur gut für Broschüren

Die Wirtschaft bummelt vor sich hin: Ein Jahr nach dem Aus für ein rot-grünes Gleichstellungsgesetz sehen Grüne und Ver.di keine Verbesserungen beim Arbeitsmarktzugang für Frauen – obwohl Unternehmer gerne über das Thema philosophieren

von HEIDE OESTREICH

An einem denkwürdigen Tag stellte gestern die Bertelsmann-Stiftung „Neue Strategien gegen den Fachkräftemangel“ vor. Das hochrangig besetzte Autorengremium, zu dem der Unternehmensberater Roland Berger, der SPD-Politiker Peter Glotz und Oetker-Chef Arend Oetker gehören, stellte unter anderem mal wieder fest, dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland erschreckend niedrig ist. Und empfiehlt, dass Unternehmen sich selbst darüber Gedanken machen, wie sie Eltern die Arbeit erleichtern können, die Rede ist etwa von flexiblen Arbeitszeitregeln und Betriebskindergärten.

Denkwürdig ist der Tag, weil gestern vor genau einem Jahr ein Gesetz scheiterte, das diese Vorschläge beinhaltete: das Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Die Wirtschaft, deren Vertreter nun Betriebskindergärten fordern, wollten die gleiche Anregung vom Staat nicht haben. Übrig blieb damals eine „Vereinbarung“, nach der sich die Wirtschaft verpflichtet, die Firmen zu aktiver Gleichstellungspolitik aufzufordern. Nach zwei Jahren soll der Erfolg kontrolliert werden und, sollte sich nichts geändert haben, das Gesetz doch noch verabschiedet werden.

Zur Halbzeit zogen gestern die Grünen und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di eine Zwischenbilanz: „Außer Spesen nichts gewesen“, so Irmingard Schewe-Gerigk, frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion kurz und knapp. Tatsächlich haben die Spitzenverbände der Wirtschaft eine kleine Broschüre von 22 Seiten herausgebracht, die heißt: „Chancen für Frauen in der Wirtschaft“. Außerdem hat man auf einem Symposion Beispiele für erfogreiche Personalpolitik für Frauen vorgestellt. Das Problem allerdings ist, dass diese etwa 200 Unternehmen einen florierenden Wanderzirkus bilden, der seit mehreren Jahren in exakt gleicher Besetzung durch die Lande tourt und flächendeckend Frauenbeauftragte betört, aber niemanden sonst.

Bei der laufenden Tarifrunde etwa, so berichtet die stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Margret Mönig-Raane, erntete man im Unternehmerlager „Augenrollen und Schulterzucken“, wenn es um Arbeitserleichterungen für Eltern ging. Von der in einem Jahr zu ziehenden offiziellen Bilanz erwartet die Grünen-Politikerin Schewe-Gerigk auch nicht allzu viel.

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erhebe nur ungenügende Daten zu Frauen in Betrieben: Es werde lediglich gefragt, ob und welche Gleichstellungsmaßnahmen das Unternehmen durchführe, nicht aber wie viele Frauen in welchen Positionen beschäftigt seien. „Man hat also keine echten Vergleichsdaten“, kritisiert Schewe-Gerigk.

Hoffnung setzten die beiden Aktivistinnen auf die EU: Nicht nur kassiert Deutschland laufend Rügen von der EU-Kommission, weil es Schlusslicht bei Erwerbsbeteiligung und Einkommen der Frauen ist. Es gilt auch, in den nächsten drei Jahren die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie umzusetzen, die den Staat zu aktiver Gleichstellungspolitik verpflichtet. Zum Beispiel durch ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft.