Aids? Trifft nur die anderen

UNO warnt vor Sorglosigkeit: HIV breitet sich schneller aus als befürchtet. Weltweit 68 Millionen Tote bis 2020 erwartet, die meisten davon in Afrika. In Westeuropa sinkt die Angst vor dem Virus

BERLIN taz ■ Wer hoffte, die jahrzehntelangen Anstrengungen im Kampf gegen Aids zeitigten allmählich Erfolge, wird jetzt eines Schlimmeren belehrt. Die Epidemie steht weltweit erst am Anfang und die Seuche breitet sich schneller und weiter aus als befürchtet, heißt es im neuen Jahresbericht des UN-Aidsbekämpfungsprogramms UN-Aids.

„HIV/Aids breitet sich rapide in Weltregionen aus, wo die Epidemie stabil erschien oder sich vorher auf Risikogruppen beschränkte“, sagte UN-Aids-Direktor Peter Piot bei der Präsentation des Berichts vor dem Wirtschafts- und Sozialrat der UN. „Die beispiellose Zerstörung, die die HIV/Aids-Epidemie in den letzten zwanzig Jahren angerichtet hat, wird in den kommenden Jahrzehnten um ein Vielfaches zunehmen, wenn der Kampf gegen diese Seuche nicht dramatisch verstärkt wird.“

Laut dem Bericht stieg die Zahl der HIV-Infizierten weltweit im Jahre 2001 um 5 Millionen auf 40 Millionen, davon 28,5 Millionen in Afrika südlich der Sahara. Im am stärksten betroffenen Land Botswana sind mittlerweile 39 Prozent der erwachsenen Bevölkerung infiziert. Wenn die Präventions- und Behandlungsanstrengungen nicht verstärkt werden, so schätzt UN-Aids, werden in den 45 am schlimmsten betroffenen Ländern zwischen 2000 und 2020 68 Millionen Menschen an Aids und den Folgen sterben – 55 Millionen davon in Schwarzafrika.

Der Bericht weist auf rapide steigende Infektionsraten in bisher wenig betroffenen, dicht bevölkerten Ländern wie China und Indonesien hin, ebenso in Osteuropa und zuvor wenig betroffenen Regionen Afrikas. Erfolge im Kampf gegen die Seuche blieben „die Ausnahme, nicht die Regel“, so Peter Piot. „Um diese Epidemie weltweit zu überwinden, muss die internationale Gemeinschaft mehr politischen Willen und Ressourcen mobilisieren.“

Europäische Aidsexperten warnten, das Aidsrisiko nehme in Westeuropa wieder zu. Die Zunahme ungeschützter Sexpraktiken, eine höhere Partnerzahl und die niedrigere Altersschwelle für erste sexuelle Kontakte nannte Angus Nicoll in Großbritannien als Gründe. In Deutschland gibt es konstant etwa 2.000 Neuinfektionen pro Jahr – aber die Angst vor Aids nimmt ab: Hielten zu Beginn der 90er-Jahre in Deutschland noch 60 Prozent Aids für eine der gefährlichsten Krankheiten, so sind es nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung heute nur noch 37 Prozent. D. J.

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