Was drin ist, muss draufstehn

Das Europaparlament befürwortet eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten – gleichgültig, ob diese nachweisbar sind oder nicht. Ob Tiere Genfutter gefressen haben, interessiert aber nicht

aus Brüssel BARBARA SCHÄDER

Überall, wo genetisch veränderte Organismen drin sind, soll das auch draufstehen. Dafür hat sich gestern das Europäische Parlament ausgesprochen. Wenn diese Meinung auch im Europäischen Rat eine Mehrheit findet, würde eine alte Forderung von Umwelt- und Verbraucherschützern erfüllt.

Bislang mussten nämlich nur solche Lebensmittel gekennzeichnet werden, in denen veränderte DNA oder Proteine auch nachweisbar sind. Bei bestimmten Verarbeitungsprozessen gehen diese Spuren aber verloren. Deshalb können etwa heiß gepresstes Öl oder auch Ketchup zurzeit ohne Kennzeichnung verkauft werden, selbst wenn sie zu 100 Prozent aus gentechnisch verändertem Mais oder manipulierten Tomaten hergestellt sind.

Künftig müssten auch diese Produkte als Genfood etikettiert werden – unabhängig davon, ob die Genmanipulation nachweisbar ist. Denn der mangelnde Beweis ist kein Hindernis: Immerhin müssen diese Lebensmittel nach EU-Richtlinien ein besonderes Zulassungsverfahren durchlaufen. Den Behörden sollte also durchaus bekannt sein, welche Produkte von Genpflanzen stammen. Es geht also nur darum, dass demnächst auch der einzelne Verbraucher auf Anhieb Bescheid weiß und sich entscheiden kann. Außerdem sollen die Zulassungsvorschriften für diese Produkte verschärft werden.

Der Umweltausschuss des Europaparlaments hatte darüber hinaus gefordert, Fleisch, Eier und Milch von Tieren zu kennzeichnen, die Genfutter gefressen haben. Mit dieser Forderung setzte er sich jedoch nicht durch. Die Mehrheit der Parlamentarier hielt sie für nicht kontrollierbar. So fragte zum Beispiel der CDU-Abgeordnete und Landwirt Karl-Heinz Florenz: „Was machen Sie mit Tieren, die mal ausbrechen und auf eine andere Weide rennen?“

Zu solchen Vermischungen von genetisch modifizierten und normalen Pflanzen kommt es allerdings nicht nur durch eigenwillige Kühe. Auch unter die Getreidekörner und Sojabohnen von traditionellen Produzenten können sich kleinere Mengen genetisch veränderter Pflanzen einschleichen – durch Pollenflug, bei der Lagerung oder während des Transports.

Die EU-Kommission hält das für „weitgehend unvermeidbar“ und hatte deshalb vorgeschlagen, Lebensmittel, die weniger als 1 Prozent genmanipuliertes Material enthalten, von der Kennzeichnungspflicht auszunehmen. Das Parlament hat diese Schwelle auf 0,5 Prozent gesenkt. Eine durchaus umstrittene Entscheidung: Viele Abgeordnete meinten, damit müssten fast alle Produkte gekennzeichnet werden – und das würde dem Verbraucher nichts nützen.

Dagegen argumentiert die grüne Europa-Abgeordnete Hiltrud Breyer, die Kommission müsse verschärfte Sicherheitsmaßnahmen erlassen, damit es gar nicht erst zu solchen „Verunreinigungen“ komme.

Wenn sich die Neuregelungen im Rat durchsetzen, ist dies allerdings nicht nur ein Erfolg für die Gentechnik-Gegner. Denn die Kommission will die Verschärfung als Argument nutzen, künftig wieder gentechnisch veränderte Lebensmittel zuzulassen. Seit 1998 hatte die EU keine Genehmigungen mehr erteilt.