Stoiber der Frauenversteher

Kanzlerkandidat Edmund Stoiber ruft Katherina Reiche in sein Kompetenzteam. Streit in der Union um die ledige Mutter beendet. Reiche soll die Familienpolitik der Union modern verkaufen

BERLIN taz ■ Gestern hat Edmund Stoiber sein so genanntes Kompetenzteam bereichert. Ungeachtet des innerparteilichen Widerstands berief er die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche (CDU) als fünftes Mitglied. Die 28-jährige Politikerin soll für Frauen-, Jugend- und überraschenderweise auch Familienpolitik zuständig sein. „Ich stehe für eine moderne und aufgeschlossene Familienpolitik“, sagte Stoiber in Berlin, die Wahl Reiches sei deshalb eine „Grundsatzentscheidung des Kanzlerkandidaten“.

Gegen die Berufung Reiches hatten konservative CDUler protestiert. Grund: die studierte Chemikerin ist ledige Mutter, lebt mit dem Kindsvater in wilder Ehe und erwartet im August ihr zweites Kind. Eigentlich war erwartet worden, dass Stoiber Katherina Reiche zwar vorstellen wird, aber nur mit einem reduzierten Kompetenzbereich in der Familienpolitik. Stoiber begründete seine Entscheidung damit, dass Reiche als Frau, „die selbst mitten in der Familienphase steht“, hervorragend die Sorgen von Eltern aufgreifen könne.

Reiche zeigte sich selbstbewusst und will auch als Ministerin bereitstehen: „Ich bin eine Vertreterin einer Generation, für die es selbverständlich ist, dass Männer und Frauen die gleichen Chancen haben.“ Viele junge Menschen wollten nicht vor die Alternative Familie oder Beruf gestellt werden. Ziel ihrer Familienpolitik sei daher deren Vereinbarkeit. Deshalb wolle sie ein bedarfsgerechtes Angebot von Kinderbetreuungsplätzen.

An einem ließ das mit Abstand jüngste Mitglied des Stoiber-Teams keinen Zweifel. Das Ideal der bürgerlichen Familie stehe für sie außer Frage. Als Motiv für ihr politisches Engagement nannte Reiche das Eintreten für Werte wie Treue, Familie und Geborgenheit. Diese müssten wieder stärker verbreitet werden. Ihre Kinder will die Politikerin autoritär erziehen: „Ein Kind setzt sich selbst keine Grenzen, dass müssen schon die Eltern machen.“

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering kritisierte das „peinliche Getöse“ um Reiches Lebenssituation und deren „Alibi-Funktion“. Auch FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper sprach von einer „durchsichtigen Feigenblatt-Inszenierung“, da sich die Union in ihrem Parteiprogramm nach wie vor zu ihrem konservativen Familienbild bekenne. SUSANNE AMANN

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