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: Die Haarpracht von David Beckham – ein Symbol für Originalität?

Die Spur einer Frisur

Beschäftigen wir uns zur Abwechslung wieder einmal mit einem Trend, der nach allem, was man über Trends weiß, eigentlich gar kein Trend ist. Denn der Trend, um den es hier gehen soll, hat sich in gewissen Kreisen derart durchgesetzt, dass er fast schon eine Gewohnheit ist, obwohl er gleichzeitig – und dazu im Widerspruch – als modern verstanden wird. Da es nach den Gesetzmäßigkeiten der Mode aber keine Trends geben kann, die gleichzeitig Gewohnheit sind, muss es sich bei diesem Trend in erster Linie um ein Missverständnis handeln. Genauer gesagt geht es an dieser Stelle um das Phänomen der so genannten Beckham-Frisur.

Die so genannte Beckham-Frisur trat in der jüngeren Geschichte an vielen Orten in Erscheinung. Zunächst vor über einem Jahr auf dem namensgebenden Kopf von David Beckham, später bei Travis-Sänger Fran Healy, vorübergehend auch bei Robbie Williams. Das Hauptcharakteristikum der so genannten Beckham-Frisur besteht darin, das Haar am Hinterkopf und an den Seiten gleichmäßig kurz zu schneiden, so dass ein leicht länglicher Haarbüschel, der sich hahnenkammgleich von der Stirn Richtung Nacken zieht, anschließend besser zur Geltung kommt. Das Ganze sieht etwa so aus wie ein ausgewachsener Irokesenschnitt. Um den recht knappen Längenunterschied zwischen dem kürzeren und dem längeren Haar zu betonen, sind die Hahnenkamm-Haarspitzen bei der so genannten Beckham-Frisur meist farblich hervorgehoben, so dass der Schnitt insgesamt für Spontanität, Individualität und darüber hinaus auch für eine Haltung stehen könnte, die vermitteln möchte, dass dem Träger der so genannten Beckham-Frisur Frisuren als solche eigentlich egal sind. Dass die Frisur vielmehr passiert ist, mithin einfach so gewachsen oder bei dem Versuch, sich mit der Rasiermaschine selbst den Kopf zu scheren, irgendwie entstanden.

Gerade dieser Hauch von Nachlässigkeit machte die Beckham-Frisur womöglich interessant. Nun aber, da die so genannte Beckham-Frisur nicht nur von Oliver Pocher (Viva), einem gewissen Markus (MTV), dem Vivaplus-Korrespondenten aus London, dem Sänger Sasha, dem Moderator Tobi Schlegel, sondern auch noch von zahlreichen anderen Menschen aus Funk und Fernsehen getragen wird, scheint es relativ unwahrscheinlich, dass ein und dieselbe Frisur so vielen Leuten zur gleichen Zeit passiert ist. Der gewisse Hauch von Individualität verkehrt sich deshalb plötzlich in sein Gegenteil und wirkt unorigineller als die unoriginellste aller denkbar unoriginellen Frisuren. Weshalb nun nicht mehr die so genannte Beckham-Frisur als solche interssant ist, sondern die Frage, warum eine Frisur, die nicht mehr interessant ist, von Leute für interessant gehalten wird.

Um es gleich vorauszuschicken: Die Antwort ist nicht bekannt. Deswegen können wir an dieser Stelle nur Vermutungen anstellen, die allerdings für sich sprechen. Die Agenten der Musikfernsehsender und ihre Ableger, deren Aufgabe es ist, die Jugend über Strömungen und Moden zu informieren – ihnen ist das Wesentliche abhanden gekommen: Sie haben den Kontakt zur Basis verloren.

HARALD PETERS