Schon für die Kleinsten ein Lehrplan

Jugendministerin Bergmann möchte, dass Kinder schon im Vorschulalter lernen – ein bundesweit verbindlicher Lehrplan soll her. Damit greift nach Bildungsministerin Edelgard Bulmahn erneut eine Bundesministerin nach Kompetenzen der Länder

aus Berlin CHRISTIAN FÜLLER

Die Sozialdemokraten lassen nicht locker. Obwohl ihnen die Schulstudie Pisa nicht die höchste Kompetenz in Sachen Bildung zugeschrieben hat, machen sie einen Vorschlag nach dem anderen, um die Bildungskrise im Land zu überwinden. Gestern hat Bundesjugendministerin Christine Bergmann (SPD) kaum verklausuliert angekündigt, dass sie einen nationalen Lehrplan für die Kindergärten entwerfen will. Erst vergangene Woche hatte Bildungsministerin Bulmahn nationale Standards für Schulen gefordert – und damit den Zorn der Bundesländer erregt.

Bundesjugendministerin Bergmann ist auf mehreren Feldern aktiv. Sie will im Herbst einen Entwurf für Qualitätskriterien „eines zeitgemäßen Bildungskonzepts für Kinder unter sechs Jahren“ vorlegen. Das wäre die Vorstufe eines konkreten Lehrplans für Kindergärten. Zudem hat sie der OECD signalisiert, dass Deutschland bei der nächsten internationalen Studie über Kindergärten im Jahr 2002 dabei sein wird. Die letzte Untersuchung hatte ohne die Bundesrepublik stattgefunden.

Lehrpläne für Kindergärten gibt es bislang in keinem deutschen Land. Erfolgreiche Bildungsstaaten wie Schweden oder Finnland haben Lehrpläne für Kindergärten – meist schmale Hefte, die nur grundlegende Lernziele wie demokratisches Verständnis oder sprachliche und naturwissenschaftliche Fähigkeiten formulieren. Auch das Bergmann’sche Rahmencurriculum solle, so die Ministerin, „Bildungsziele klar definieren – und gleichzeitig den Einrichtungen für Kleinkinder genug Freiräume für die Umsetzung lassen“.

Während der Protest der unionsregierten Länder absehbar ist, hat Bergmann kompetente Befürworter für ihren Plan im Boot. „Es wäre Wahnsinn, wenn sich wieder jedes Bundesland für sich auf den Weg machen würde“, sagte die Vorsitzende des Bundesverbandes der evangelischen Kindertageseinrichtungen, Ilse Wehrmann. Ihr Verband steht für ein Drittel der deutschen Kindergärten. Wehrmann sagte zu bundeseinheitlichen Standards: „Wir sitzen in den Startlöchern, um sie anzuwenden.“

Auch der bekannteste deutsche Frühpädagoge, Wassilios Fthenakis, sagte gestern: „Deutschland ist gut beraten, ein bundesweit übergreifendes Bildungskonzept für Kindergärten zu entwickeln.“ Der Wissenschaftler verneinte, dass es zum Konflikt mit den Bundesländern kommen müsse. „Ein solches Konzept nimmt den Ländern ja nicht die Möglichkeit, es kreativ umzusetzen.“ Fthenakis’ Wort ist dabei auch aus einem anderen Grund nicht unwichtig – er spricht als Direktor des bayerischen Staatsinstitutes für Frühpädagogik indirekt für Bayern.