Da fehlten dem Botschafter die Worte

Angeheizt vom CDU-Abgeordneten Schimpff riskiert die sächsische Regierungsfraktion einen Streit mit Tschechien

DRESDEN taz ■ Der sächsische CDU-Landtagsabgeordnete Volker Schimpff fiel schon des öfteren durch strammdeutsche Ausfälle, tränenreiche Aufrufe zum täglichen Singen der Nationalhymne und schwarzrotgoldene Hosenträger auf. In der letzten Landtagsdebatte vor der Sommerpause setzte er noch eins drauf: „Nürnberger Gesetze und Arisierungsverordnungen waren Geist von gleichem Ungeist wie jene Beneš-, Bierut- und Avnoj-Dekrete.“ Gemeint sind jene Nachkriegsverordnungen, mit denen in der Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien Vertreibungen legalisiert wurden.

Schimpff warf im gleichen Zusammenhang Hitler, Stalin sowie die früheren tschechischen und polnischen Präsidenten Beneš und Bierut in einen Topf. Statt sich zu distanzieren, setzte die CDU-Fraktion einen Antrag durch, der die Aufhebung der Beneš-Dekrete im Zuge der EU-Osterweiterung fordert.

CDU-Fraktionsvorsitzender Fritz Hähle versuchte in derselben Sitzung Mitte Juni zu beschwichtigen. Die Dekrete sollten „im Zuge des EU-Beitritts aus der Welt geschafft werden“, sagte Hähle. Es gebe jedoch kein Junktim zwischen dem EU-Beitritt und der Aufhebung der Dekrete, ruderte er wenige Sätze später wieder zurück.

Der Mehrheitsbeschluss des Landtages löste einen Konflikt mit dem Nachbarn jenseits des Erzgebirges aus. Das nordböhmische Regionalparlament in Ušti nad Labem trat zu einer Sondersitzung zusammen und verurteilte die CDU-Erklärung. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte werde „von offiziellen Stellen der Bundesrepublik eine solch drohende und unfreundliche Stellungnahme abgegeben“. Der tschechische Botschafter Boris Lazar sagte bei seinem Besuch in der Sächsischen Staatskanzlei Ende letzter Woche: „Diese Äußerungen können in Tschechien nur als unfreundlicher Akt empfunden werden.“ Schimpffs Beitrag könne er in keiner ihm bekannten diplomatischen Sprache kommentieren.

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Sächsischen Landtag, Peter Adler (SPD), wirft der CDU vor, sie „vergifte das Klima guter Nachbarschaft“. Der PDS-Europapolitiker in Dresden Heiko Kosel berichtet, EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen habe in internen Beratungen gewarnt, Sachsen möge mit seiner Europapolitik „nicht die Büchse der Pandora öffnen“.

Schimpff tat unterdessen die Auseinandersetzung als „Klamauk“ ab. Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt war auf Anfrage um einen ausgleichenden Tonfall bemüht. Er wolle keine öffentliche Diskussion und auch kein klärendes Wort sprechen, weil dies die Sache nicht vereinfache. Mit Botschafter Lazar habe er sich auf eine Fortsetzung der bislang guten Zusammenarbeit verständigt. Und bei seinem Besuch in Breslau habe das Thema kürzlich keine Rolle gespielt. MICHAEL BARTSCH