Trotz Haftstrafe frei

Großes Medienecho bei Urteilverkündung gegen Kriegverbrecher Friedrich Engel – sieben Jahre Haft

„Kein Kommentar!“ Friedrich Engel, Ex-SS-Obersturmbannführer und Ex-Chef des Sicherheitsdienstes (SD) Genua – soeben wegen 59-fachen Mordes an italienischen Partisanen am Turchino Pass für schuldig gesprochen und zu sieben Jahren Haft verurteilt worden – ist vergrätzt und mag zum Richterspruch nichts sagen. Noch morgens hatte er gegenüber der Presse seine Unschuld beteuert. So vergrätzt, dass er das Glück wenig später mit dem Taxi in Freiheit nach Hause fahren zu können, noch nicht realisiert hat. Denn das Landgericht hat ausdrücklich von der Möglichkeit der Inhaftnahme keinen Gebrauch gemacht, da es den 93-Jährigen ohne Gesundheits-Check für nicht haftfähig hält. Und da alle Prozessbeteiligten von einer Revision Engels ausgehen, könnte die Rechtskraft des Urteils ohnehin erst in Jahren eintreten – oder nach einem neuen Prozess.

Die gestrige Urteilsverkündung hatte ein reges internationales Medienecho gefunden. Vor allem italienische Korrespondenten aus der Region Genua waren angereist, um das Urteil vor Ort mitzukommen. Italienische Fernsehenstationen berichteten live vom Landgericht. Denn bis heute sind die Massaker des SD unter Engels Regie von 1944 bis 1945 in Ligurien noch gegenwärtig.

Die dreizehn Verhandlungstage hatten unter starken Sicherheitsvorkehrungen stattgefunden. Selbst Medienvertreter durften nur nach intensiven Leibesvisitationen den Staatschutzsaal betreten, dessen Zuhöreraum mit Panzerglas abgetrennt ist. Der Vorsitzende Richter Rolf Seedorf begründete die Maßnahme damit, dass es nicht vorhersehbar gewesen sei, dass der Prozess unter einer solch ruhigen Atmosphäre stattfinden würde. „Wir mussten damit rechnen, dass Neonazis die Verhandlung stören könnten.“

Peter Müller/Andreas Speit

Weitere Berichte siehe S. 1 und 6