Behörde schließt jede Lücke

Internes Behördenpapier zur Einrichtung einer „Zentralstelle Altersfeststellung“: Innen-Staatsrat Wellinghausen plant einen schnelleren Datenaustausch, um jungen Flüchtlingen in Hamburg das Leben noch ein bisschen schwerer zu machen

von ELKE SPANNER

Noch gibt es kleine Lücken. Manchmal können die Jungen oder Mädchen doch ein paar Tage in einer betreuten Jugendwohnung leben, ehe die Behörden sie in die Massenunterkunft der Erwachsenen stecken. Manchmal kann ein jugendlicher Flüchtling sogar in Hamburg bleiben, weil er nicht in den Verteilungsschlüssel für die Volljährigen gerät. Um diese Lücken zu schließen, wird das System der Altersfeststellung minderjähriger Flüchtlinge von der Innenbehörde weiter perfektioniert. Nun siedelt sie bei der Ausländerbehörde eine „Zentralstelle Altersfeststellung“ an. Vier Stellen werden dafür bereitgestellt. Das ergibt sich aus der von Staatsrat Walter Wellinghausen entworfenen „Einsetzungsverfügung für das Projekt Zentrale Altersfeststellung“, die der taz hamburg vorliegt.

Für die Flüchtlinge ist es wichtig, ob sie von der Behörde als 16-jährig oder jünger eingestuft werden. Als anerkannte Jugendliche werden sie nicht übers Bundesgebiet verteilt, kommen in Jugendwohnungen und werden dort pädagogisch betreut. Die Ausländerbehörde zweifelt seit Jahren routinemäßig an, wenn ein Flüchtlingskind sein Alter mit unter 16 Jahren angibt.

Die SachbearbeiterInnen haben die Befugnis, ein „fiktives Geburtsdatum“ festzusetzen. Der Jugendliche kann sein Alter dann durch ein medizinisches Gutachten feststellen lassen. Diese Altersfeststellungen werden vom Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts am UKE, Klaus Püschel, durchgeführt.

Wellinghausen beschreibt es in seinem internen Papier nun als „Defizit“, dass nicht alle Behörden gleichzeitig erfahren, wenn das Alter eines Flüchtlings heraufgesetzt wird. Zum einen sei keine effektive Strafverfolgung möglich, wenn der Jugendliche bei einer Straftat erwischt wird und (noch) nicht als erwachsen gilt. Zum anderen „entstehen vermeidbare Kosten durch eine Unterbringung im Rahmen der Jugendhilfe“, bis der Jugendliche aufgrund des fiktiven Alters wieder aus der Jugendwohnung ausquartiert wird. Vor allem um diese Kosten zu senken, soll die neue „zentrale Altersfeststellung“ für einen schnellen Datenaustausch zwischen den Behörden sorgen.

Das Konzept geht zurück auf eine Bestandsaufnahme der behördenübergreifenden „Amtsleiterrunde Drogen“. Deren „Projektgruppe Altersfeststellung“ hatte im Herbst Lösungsvorschläge präsentiert. Und beispielsweise auf die Möglichkeit zwangsweiser medizinischer Altersüberprüfung hingewiesen: Auch gegen den Willen des Betroffenen könnte im Krankenhaus der U-Haft das Handskelett geröntgt werden, und an der Uni Kiel würde auch die „zwangsweise radiologische Untersuchung der Schlüsselbeinregion“ durchgeführt. Anregungen, die womöglich in Zukunft weitere kleine Lücken schließen werden.