Schill-Jünger drängt‘s in den Bundestag

An Kandidaten für den Bundestag mangelt es der Protestpartei nicht – aber an genug stimmfähigen Delegierten

HAMBURG taz ■ Hans-Jürgen Grossmann hat das Energieproblem gelöst. „Man bohrt ein Loch in den Fels und saugt die Energie einfach ab.“ Und weil „die rot-grünen Systemveränderer“ in Berlin seine bahnbrechende Idee partout nicht umsetzen wollen, muss Grossmann halt selbst in den Bundestag.

Den Gefallen tut ihm die Parteiversammlung der „Rechtsstaatlichen Offensive“ freilich nicht. Obwohl er vor den Delegierten der an der Hamburger Stadtregierung beteiligten Protestpartei eine Viertelstunde die Vorteile der Erdwärme preist, bekommt er nur eine einzige Stimme. Man darf vermuten: Es war seine eigene.

Die Schill-Partei in Hamburg stellte an diesem Samstag ihre Kandidatenliste für die Bundestagswahl auf – ein El Dorado für Glücksritter und Sonderlinge.

Dass die Grossmänner überhaupt noch ihren Auftritt haben, haben sie dem Instrument der „Telefonlawine“ zu verdanken. Eine Stunde nach Beginn des Parteitags fehlen immer noch 30 Leute zur Beschlussfähigkeit. Laut Satzung muss ein Viertel der Mitglieder anwesend sein. Also bittet Versammlungsleiter Wolfgang Barth-Völkl, ein Bürgerschaftsabgeordneter, der sich Stunden später selbst um Platz zwei der Landesliste bewerben wird, die Anwesenden: „Falls Sie noch ein Parteimitglied kennen, das noch nicht hier ist, und dessen Telefonnummer wissen: Rufen Sie an – damit es noch hierher kommt. Wir bezahlen auch das Taxi.“

Bis genug Delegierte anwesend sind, muss Parteigründer Ronald Schill die Zeit überbrücken – indem er seine Rede vom letzten Parteitag wiederholt. Und so packt er seine Attacken auf das Zuwanderungsgesetz noch einmal aus und dass „der Rechtsstaat in Deutschland unter Karies leidet“. Als auch Schill nichts mehr einfällt, muss Schill-Bausenator Mario Mettbach ran. Er erzählt, warum es in Hamburg so viele Baustellen gibt. Allmählich sind die säumigen Parteimitglieder herbeitelefoniert, aus Vorgärten und von Sofas eilen sie in den Veranstaltungssaal. Die Abstimmung kann losgehen.

Schill gibt noch zu bedenken, man müsse als künftiger Bundestagsabgeordneter auch „kamerasicher sein und Medien Rede und Antwort stehen können“. Damit ist der Platz eins auf der Liste dem Parteigründer selbst vorbehalten. Er werde, sagt er, „nur nach Berlin wechseln, wenn er den Posten als Bundesinnenminister erhält“. Fast ohne Gegenstimme wird Schill gewählt – und ohne Gegenkandidat.

Dafür bewerben sich um Rang zwei gleich 14 Parteimitglieder. Da ist der Freiherr dabei, der nebenbei einen lukrativen Waffenversandhandel betreibt. Der Kleinunternehmer, der seinen „Omnibusbetrieb geschlossen hat, aus Zeitnot, weil ich mich so in der Partei engagiere“, und der Zeitsoldat, der so für sich wirbt: „Was mich qualifiziert, ist nicht die Intelligenz.“

Am Ende landet das Schill-Establishment auf den begehrten Plätzen für Berlin. Versammlungsleiter Wolfgang Barth-Völkl gehört dazu. Und Dieter Obermeier, der schon für die Statt-Partei aktiv war. PETER AHRENS