Anderthalb Musiker

Meist bezwingende Innenversion: Theater N.N. legt „Flötenzauber“ in neuer Spielstätte frisch auf

Das Theater N.N. verbreitet seinen mozartesken Flötenzauber jetzt in eigenen Räumen in Eimsbüttel. Backstage bei Schikaneder: Den Vorstadtschmieren-Direktor plagen Geldsorgen, sein Tenor ist Rocker, die Diven rangeln um Rollen und Amore, der Inspizient möchte auf der Bühne singen, und der Komponist schaut, von Liebeskummer gebeutelt, tief ins Weinglas, anstatt kurz vor der Premiere die längst fällige Musik abzuliefern.

Wie aus solchem menschlichen Tohuwabohu bei erbärmlichen finanziellen Bedingungen dennoch ein wunderbares, das Publikum hinreißendes Kunstwerk entsteht – davon erzählt die heiter-melancholische Revue Flötenzauber im privaten Theater N.N. Eigentlich unnötig zu sagen, dass es Mozarts Zauberflöte ist, um deren Entstehung Autor und Theater-Chef Dieter Seidel sein Stück ,,für sieben singende und tanzende Schauspieler und anderthalb Musiker“ sehr frei gerankt hat.

Bereits im vergangenen Jahr zeigte Seidel, der auch als Regisseur verantwortlich zeichnet, das Scherzo open air im Innenhof des Altonaer Rathauses: Die Hamburger Sommernacht samt Vogelgezwitscher und Blattgrün bekam dem Flötenzauber, der von der Grundidee her an Michael Frayns Schauspieler-Farce Der nackte Wahnsinn erinnert: Die Aufführung erfreute Kritiker und Zuschauer so sehr, dass sie 20 Mal lief.

Und weil das Theater N.N. nach sechsjähriger Odyssee seit Ostern am Eimsbüttler Hellkamp 68 eine feste Bleibe gefunden hat, erarbeitete das hochengagierte (jedoch gezwungenermaßen kaum bezahlte) Ensemble dort eine Innen-Fassung, die den gesamten ehemaligen Ballsaal – und mehr – miteinbezieht: Mozart trinkt und singt mitten unter den Zuschauern, versucht, sich am Fensterkreuz das Leben zu nehmen.

Doch das ist nicht alles: ,,Durch den engen Raum ist die Geschichte dichter und heftiger, der Konflikt zwischen Schikaneder und Mozart existenzieller geworden“, sagt Seidel. Auch in dem schlichten Saal entfaltet seine Truppe jene Art angenehm altmodische Theatermagie, für die sie bewusst und mutig eintritt: Spielfreudige, zum Teil erstaunlich stimmstarke DarstellerInnen in wechselnden Rollen bei minimalem technischen Aufwand machen den Charme des Abends aus. Spürbar beeinflusst von Peter Shaffers Amadeus, gibt nun Jens Kraßnig den genialen Komponisten als unflätiges, aggressives Kind, das im Clinch liegt mit seinem Auftraggeber Schikaneder (Jens Wesemann), den es so notwendig braucht wie die Luft zum Atmen.

Nicht immer wirkt das turbulente Stück, das auch auf zwei Bühnen stattfindet, gleichmäßig bezwingend. Doch vor allem in der zweiten Hälfte gewinnt der Flötenzauber an Kraft, gerät erneut zur zeitlosen, liebevollen Hommage an das Theater und seine Künstler. Und wie betörend die Partie Dies Bildnis ist bezaubernd schön auf Klavier und Klarinette klingt– das kann man jetzt auch wieder erleben, dank Ulrich Stolpmann und Heiner Metzger. Ulrike Cordes

Weitere Aufführungen: 10. bis 14. Juli, jeweils 20 Uhr. Karten unter Tel.: 040-38 61 66 88