„Das wird uns nicht zu Boden werfen“

Günter Rexrodt, Landesvorsitzender der Berliner FDP, freut sich trotz Love Parade ohne Liberale und Antisemitismus-Debatte auf den Wahlkampf

Interview ROBIN ALEXANDER

taz: Herr Rexrodt, am Sonntag erreichte Sie eine schlechte Nachricht …

Günter Rexrodt: … ich kann mich, was den vergangenen Sonntag angeht, eigentlich nur an gute Neuigkeiten erinnern.

Am Sonntag teilte die Love Parade mit, sie verbitte sich ausdrücklich, dass die FDP mit einem eigenen Wagen teilnimmt.

Das wird die Partei nicht zu Boden werfen.

Wie hätte das ausgesehen: Guido Westerwelle und Jürgen Möllemann zucken mit entblößtem Oberkörper um die Siegessäule – Rexrodt auch?

Ich gebe zu, dieses Bild wäre ungewohnt. Aber ein Ausdruck von Lebensfreude und Kampfesmut wäre es schon.

Im Ernst: Das Projekt 18 verändert die FDP.

Ja. Und – da kann geschrieben werden, was will – nur positiv!

Nur positiv? Vor einem Monat demonstrierten Berliner Juden vor dem Hauptquartier der FDP gegen „den Versuch, mit antisemitischen Parolen Wahlpropaganda zu machen“.

Diesen Versuch hat es nie gegeben. Und das, was dafür gehalten wurde, hat nichts mit dem Projekt 18 zu tun. Unsere Partei unternimmt derzeit einen neuen Anlauf. Die Stimmung ist gut, der Zuspruch riesig. Und dieser Zuspruch kommt nicht von rechts, sondern aus der Mitte der Gesellschaft.

Alles nur ein Irrtum der besorgten jüdischen Gemeinde?

Es hat keinen Versuch gegeben, die Achse der FDP in irgendeine Richtung zu verschieben. Eine Kritik von Jürgen Möllemann an Israel ist in Gefechte ausgeartet, die in dieser Wortwahl nicht hätten stattfinden sollen.

Susanne Thaler, eine Frau, mit der Sie jahrelang im Landesvorstand zusammengearbeitet haben, sagt: „Die FDP macht mir als Jüdin Angst.“

Mit Frau Thaler bin ich befreundet. Trotz dieser Freundschaft muss ich feststellen, dass sie in ihrem Urteil ziemlich danebenliegt.

Love Parade und Antisemitismus – fällt es bei diesen Themen leicht, bürgerliche Berliner für den Bundestagswahlkampf der FDP zu begeistern?

O ja: In die Wahl zu gehen fällt leichter als je zuvor. Das Selbstbewusstsein der Mitglieder war seit 25 Jahren nicht mehr so hoch. Das Projekt 18 verkörpert den Anspruch, dass die liberale Grundströmung gleichberechtigt neben den anderen politischen Strömungen steht. Ich sage voraus: In wenigen Jahren werden die drei politischen Grundströmungen durch drei mehr oder weniger gleichgroße Parteien repräsentiert werden – auch in Berlin.

Ihr letzter Erfolg trug die FDP ins Abgeordnetenhaus. Wie machen sich denn Ihre Kollegen so im Parlament?

Gut. Überraschend gut.

Ein Abgeordneter hat den Rücktritt des eigenen Parteivorsitzenden gefordert, andere wollen ein Denkmal für Gustav Noske errichten. Es ist nicht gerade so, dass die FDP-Fraktion die rot-rote Koalition inhaltlich vor sich her treibt.

Da muss ich energisch widersprechen: Das Noske-Denkmal war als politische Satire gedacht – und ist leider falsch verstanden worden. Ansonsten wird gute Arbeit geleistet. Hier und da gibt es Ausrutscher, aber die gibt es in jeder Fraktion. Ungerechterweise schaut man nur auf die FDP-Fraktion mit einem ganz großen Brennglas.

Ihre Partei behauptet besondere Kompetenzen bei Bildung und Wirtschaft. Was würden Sie denn anders machen als Bildungssenator Böger?

Was wir in den gescheiterten Ampelverhandlungen durchsetzen wollten: die Differenzierung im Schul- und Hochschulbereich vorantreiben. Es muss in Berlin mehr private Schulen geben!

Wenigstens Wirtschaftssenator Gysi müsste doch nach Ihrem Geschmack sein. Sogar in New York wirbt der für das FEZ Wuhlheide.

Ich weiß nicht, ob die Wuhlheide in New York der ganz große Renner ist. Aber der Ansatz ist richtig. Die Person Gysi habe ich immer schon besonders bewertet – und nicht negativ. Aber Gysi ist eingebunden in eine sozialistische Partei, die den Kapitalismus als Grundübel unserer Zeit bezeichnet. Wenn man mit so einer Grundposition in New York für Investment in Berlin wirbt, muss man sich schon fragen, wie es um die politische Glaubwürdigkeit und Integrität bestellt ist.

Jetzt müssen Sie uns noch erklären, wie Sie einen verfassungsmäßigen Haushalt in Berlin hinbekommen hätten.

Ich bin nicht in der Position, das tun zu müssen. Und ehrlich gesagt: Ich bin froh darüber. Schon in den Ampelverhandlungen wurde deutlich: Die SPD hat Angst vor der eigenen Klientel und der eigenen Courage! Sie greift nicht konsequent genug das Thema Personaleinsparungen auf und ist nicht bereit, das Thema Privatisierung mit der notwendigen Konsequenz anzugehen. Deshalb wurschtelt Berlin weiter vor sich hin, als sei nichts geschehen.

Ihr Rezept klingt einfach: Kündigen und ausverkaufen.

Ja. Diese Zuspitzung fürchtet die SPD. Aber Berlin wird sein Personal konsequent reduzieren müssen. Betriebsbedingte Kündigungen dürfen dabei nicht ausgeschlossen werden. Die überdimensionierten wirtschaftlichen Aktivitäten sollten in private Hände gelegt werden – besser heute als morgen.

Zur Love Parade dürfen Sie ja nun nicht: Was machen Sie am kommenden Wochenende?

Ich fühle mich mindestens so fröhlich wie die Teilnehmer der Love Parade.