Alltagsgeschichte für Alle

Das Cloppenburger Museumsdorf im Sommer: familienfreundlich, rauchig, und – Überraschung! – voll mit Popart

Wie ist das Binnenklima eines Hauses, in dem ein Kochherd seinen Qualm verteilt und Kühe vor sich hin dunsten? Wahrscheinlich nicht so gut. Das ergab auch eine Messreihe in einem noch 1974 schornsteinfreien Bauernhaus in der Region. Das Gemeine: Trotzdem war‘s nicht warm. Im Winter betrug die Temperatur unmittelbar neben dem Herd kaum mehr als sechs Grad über der Außentemperatur.

Um die Alltagsgeschichte am Herdfeuer dreht sich eine neue Ausstellung im Cloppenburger Museumsdorf. Dazu gehört auch die Untersuchung über das Kochen als Schwerstarbeit. Viele Töpfe wogen allein schon 15 Kilo, wozu dann noch 25 Kilo Suppe kamen. Also: Manch nostalgische Herdfeuer-Vorstellung verliert sich angesichts der im Museumsdorf gezeigten Realitäten. Wer es ganz genau wissen will, kann viele Details in einem umfangreichen Katalog nachlesen, den Hermann Kaiser zur Ausstellung herausgebracht hat („Herdfeuer und Herdgerät “). Er versammelt aktuelle Forschungen über das alltägliche Leben in Bauernhäusern. Das Ganze wird anschaulich gemacht durch zahlreiche Berichte von Zeitgenossen. Klar wird: Romantisierende Vorstellungen vom Mehrgenerationenleben der bäuerlichen Großfamilien haben keine Grundlage.

Auch sonst ist in der Cloppenburger Anlage Aufschlussreiches zu entdecken. Jeden Sonntag gibt es Führungen (jeweils mit einem anderem Schwerpunktthema) und Mitmachaktionen. Erstere kosten gar nichts, und bei den Aktionen fallen lediglich Materialkosten an. Auch Filme dokumentieren das Landleben. Thema kommenden Sonntag: „Schnaps im Wasserkessel“ (platt mit Untertiteln). Dahinter verbirgt sich eine Darstellung des Landarbeiterlebens in Ostfriesland in der „guten alten Zeit“ mit allen ihren Härten und alltäglichen Fluchtversuchen. Ende des Monats gibt es einen Film über die Erschließung des Emslandes nach dem Zweiten Weltkrieg („Moorkultivierung mit Dampfpflügen“, 28. Juli, 14.30 Uhr), während am 21. Juli der ländliche Bezugsrahmen verlassen wird: In der Münchhausenscheune eröffnet die Ausstellung über Werner Berges, der gerne als „der einzige deutsche Pop-Künstler“ bezeichnet wird (Rezension folgt) und aus der Oldenburger Gegend kommt – oder, „der dem Rauche entstieg“, wie man zusammenfassend sagen möchte. HB

Das Museumsdorf ist täglich zwischen 9 und 18 Uhr geöffnet (von November bis Februar nur bis 16.30 Uhr). Weitere Informationen: www.museumsdorf.de und unter ☎ (04471) 94840