Filme aus der Zeit des Backlash

Jenseits des Eindrucks einer glücklichen Zeit: Das Metropolis blickt mit seiner Juli-Reihe „Das Kino der achtziger Jahre“ zurück auf ein Jahrzehnt, von dem derzeit sonst kaum mehr als ein Style erinnert wird

So, wie es war, kann es nicht weiter gehen, doch kommen wird nichts Gutes.

von GERD BAUDER

Die achtziger Jahre: Der Hype um Mode, Musik und Lebensgefühl hat jene Zeit zur reinen Oberfläche werden lassen. Ob Aufwärmen oller Kamellen der Neuen Deutschen Welle, zerrissene Moonwashed-Jeans oder blondgesträhnte Fönfrisuren – kaum eine Geschmacksverirrung wird derzeit nicht recycled. Dabei entsteht mitunter der Eindruck einer glücklichen und unpolitischen Zeit. Doch selbstverständlich waren die Achtziger mehr als das, was Kultur- und Modeindustrie rückwirkend aus ihnen gemacht haben.

Nun, vielleicht hilft ein Gegencheck im Kino, ein runderes Bild der Zeit zu vermitteln. Die Filmreihe „Das Kino der achtziger Jahre“ im Metropolis bietet dazu Gelegenheit. Sie lässt sich gut als kritische Ergänzung zum allgegenwärtigen Eighties-Chic lesen. Allen voran Jean-Jacques Beineix‘ Diva. „Kultfilm“ nannte man den Streifen, der in vielen Kinos über Monate im täglichen Programm blieb, damals schon: Ein Postbote schneidet heimlich eine Opernaufführung mit und verwechselt hernach die Kassette mit der Tonaufnahme eines Verbrechens. Mir nichts, dir nichts gerät er in die Schusslinie von Gangstern. Ein klassischer Krimi, spannend und stringent erzählt. Heute taugt er bestens als Dokument: Neonlicht, enge Hosen und Lofts zeugen von der damaligen Ästhetik. Die kühle Grundstimmung des Films macht das generelle Unbehagen jener Zeit spürbar.

Ebenfalls truly eighties kommt Stop Making Sense daher. Wer will, kann im Titel ein dadaistisches Nachklingen im New Wave erkennen. Was ganz klar wird, ist, welche Musik Studenten vor gut zwanzig Jahren toll fanden: den Soul-Funk-New Wave der Talking Heads nämlich. Factory-Filmer Jonathan Demme schnitt ein Konzert der New Yorker mit und begeisterte mit der sehr sachlichen Musikdoku Kritiker wie Publikum. Richtig heiß ist das für MTV-geschulte Gemüter nicht, macht aber Spaß.

Weniger davon, umso mehr Arbeit bringt Querelle. Rainer Werner Fassbinders letztes Werk – eine formal beeindruckende Genet-Verfilmung um die Unmöglichkeit, Mensch zu sein – ist beinahe typisch für den (Autoren-) Film der Achtziger. Fassbinders l‘art pour l‘art-Kino verdeutlicht, wie wenig Kontakt noch zwischen deutschem Film und seinem Publikum bestand. Wie eine Antizipation des – vorläufigen – Endes des Autorenfilms nimmt sich auch Wim Wenders Der Stand der Dinge aus. In diesem Film-im-Film lässt ein Produzent während der Dreharbeiten sein Team im Stich, das zwischen bangem Hoffen und lähmendem Warten zurückbleibt: So, wie es war, kann es nicht weiter gehen, doch kommen wird nichts Gutes. Treffender lässt sich die Stimmung der frühen Achtziger kaum umschreiben.

Tja, und in den USA war das Jahrzehnt des Backlash wohl kaum besser. In David Lynchs Blue Velvet wird der Alltag nebenbei abgehandelt. Lynch ging es (nicht erst) 1985 um Paranoia, Verunsicherung und gespaltene Persönlichkeiten. Sein Sturmlauf gegen Prüderie und die von Isabelle Rossellini subversiv interpretierte Hauptfigur ließ weltweit Moralisten aufschreien.

Weniger Aufmerksamkeit erlangte Louis Malles respektvoller, zugleich traurig-ironischer Blick auf Atlantic City, ein abgewirtschaftetes Seebad im Osten der USA. Den Stillstand im Leben kleiner Leute und ebensolcher Ganoven fing er quasi-dokumentarisch ein. Reine Fiktion bietet dagegen Wes Cravens Nightmare On Elmstreet, der Freddie Kruger zum Jugendidol der 80er machte. Goutiert man den Film weniger als Teen-Angst-Horror, bietet auch er sich dank des jungen Johnny Depp, wirklich horribler Synthesizer-Kompositionen und originalgetreuer Abbildung damaliger Jugendmode, bestens als Zeugnis seiner Zeit an.

Atlantic City: Di–Do, 18.7., 17 Uhr; Nightmare On Elmstreet: Di, Do, 18. + Sa, 20.7., 21.15 Uhr; Querelle: Sa, 20. + Mi, 24.7. 17 Uhr, Di, 23.7., 19 Uhr; Blue Velvet (OF): Di, 23., Do, 25. + Sa, 27. 7., 21.15 Uhr; Der Stand der Dinge: Sa, 27., Mo, 29. + Mi, 31.7., 17Uhr, So, 28.7. 19 Uhr; Diva: Mo, 29. + Mi, 31.7., 21.15 Uhr, Di, 30.7., 19 Uhr; Stop Making Sense (OF): Di, 30.7. + Fr, 2.8., 21.15 Uhr, Metropolis