Frau Senatorin Schließer-Jastram

Öffentliche Vorlesung vor Ort gegen geschlossene Heime für Jugendliche. Ex-Sozialsenator Jan Ehlers stellt sich gegen die Meinung der eigenen SPD-Fraktion: „Der alte Gedanke der Vorbeugehaft wird wieder hervorgeholt“

von PETER AHRENS

Jan Ehlers erinnert sich zurück. An die Zeit vor 22 Jahren, als er noch Sozialsenator der Stadt war und kein einfacher SPD-Bürgerschaftsabgeordneter wie heute. Damals hat er das geschlossene Heim für jugendliche Mädchen an der Ohlsdorfer Feuerbergstraße besucht. Die Tür war von innen mit Blech beschlagen, und das Blech war ausgebeult. „Die Beulen kamen von den dort eingesperrten Mädchen, die mit ihren Köpfen gegen die Tür gerannt waren, weil sie raus wollten“, sagt Ehlers. Das habe ihn damals so beeindruckt, dass er als Senator die geschlossene Unterbringung für Jugendliche in Hamburg abgeschafft habe.

22 Jahre später steht er wieder vor dem Haus in der Feuerbergstraße und muss die Argumente von einst auspacken – auch im Widerspruch zu seiner eigenen Fraktion, die eine geschlossene Unterbringung befürwortet. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) will ab dem 1. Oktober in dem Gebäude 50 geschlossene Heimplätze schaffen, und die 250 Menschen, die gestern Vormittag vor das Haus gezogen sind, sind dagegen.

Die Evangelische Fachhochschule für Sozialpädagogik des Rauhen Hauses hat ihren Lehrbetrieb nach draußen verlegt und hält ihre Vorlesung vor dem Haus an der Feuerbergstraße ab, da wo zurzeit noch der städtische Kinder- und Jugendnotdienst untergebracht ist. Vor der Tür stehen als Sicherheitsbeamte verkleidete Protestierende, und Tim Kunstreich, Hochschullehrer an der FH, sagt: „Wir wollen eine Kultur des Aufwachsens statt eines Endbahnhofes geschlossene Unterbringung.“

An diesem Vormittag werden all die Argumente gegen ein Wegsperren von Jugendlichen zusammengetragen, von den Fachhochschullehrern ebenso wie von Vertretern der Sozialpolitischen Opposition, von ver.di, der GAL und zahlreichen Jugendhilfeträgern. Alle sind sich einig: Nicht nur gegen das Vorhaben, auch gegen die Art, wie es der Senat an den Fachgremien der Jugendhilfe vorbei installieren will, muss man sich wehren. Das sei „ein Staatsstreich von oben“ , sagt Kunstreich. Und Thomas Lamm von der Pestalozzi-Stiftung erinnert daran, dass ausgerechnet der heutige Leiter des Kinder- und Jugendnotdienstes damals vehementer Kämpfer gegen die geschlossenen Heime war. In diesem Jahr soll er pensioniert werden, „und zum Abschied legt der Senat ihm noch so ein Geschenk hin.“ Die Sozialsenatorin wird hier nur Frau „Schließer-Jastram“ genannt. Ehlers sagt: „Hier wird der alte Gedanke der Vorbeugehaft wieder hervor geholt.“

Der SPD-Politiker weiß, dass er damit in der eigenen Fraktion relativ allein steht. Fraktionssprecher Ivo Banek spricht von „einer klaren Mehrheit“ für ein Papier des Jugendpolitikers Thomas Böwer. Der hält Schnieber-Jastrams Pläne für eine „Gesprächsgrundlage“, ein Gegenpapier von Ehlers, das einen Verzicht auf jegliche geschlossene Unterbringung vorsieht, scheiterte in der Fraktion. „Die SPD will sich offenbar schon wieder koalitionsfähig machen“, kommentiert Michael Langhanky von der Fachhochschule des Rauhen Hauses. Langhanky hatte vor Jahren für das Amt für Jugend die sozialpädagogische Arbeit mit den so genanten Crash Kids koordiniert und sagt in der Rückschau: „Die Jugendlichen haben sich damals gerade als Gang organisiert, weil sie gemeinsam in einem Heim aufwuchsen.“ Das Heim schaffe eher straffällige Jugendliche, als dass es sie davon abhalte.

Am Ende der Veranstaltung meldet sich ein Junge, der, wie er sagt, „öfter mal Gast in diesem Haus“ gewesen war: Sein Wortbeitrag ist ganz kurz. „Wenn der Kinder- und Jugendnotdienst, der mir geholfen hat, hier für ein geschlossenes Heim weichen muss, ist das eine Schweinerei.“