Aldi statt Jugendstil?

Ulf Sommer hat als Ersatz für das ausgebrannte „Haus im Park“ einen Neubau im Stil der „zeitlosen Moderne“ entworfen. Der allerdings verursacht vielen Mitarbeitern des ZKH Ost heftigen Unmut

Klaus Hübotter: „Wir wollen kein kompromisslerisches Gebäude“

Da steht sie idyllisch unter alten Bäumen: Die Ruine des „Hauses im Park“ beim ZKH Ost, das vergangenen November ausbrannte. Im Inneren sieht es allerdings grauenhaft aus. Die schönen Holzarbeiten des Jugendstilgebäudes (errichtet 1904) haben sich in ein Trümmerfeld verwandelt. Auf höchstens zehn Prozent schätzt Klaus Hübotter die wiederverwendbare Substanz.

Der Unternehmer, bekannt für die Renovierung historischer Gebäude (unter anderem Speicher XI und Villa Ichon) hat ein Gutachten für den Wideraufbau beziehungsweise einen Neubau erstellt. Ergebnis: Beide Varianten seien „denkbar und machbar“. Sowohl am alten Ort als auch an einem anderen Platz. Theoretisch bestanden also vier Möglichkeiten, das im ganzen Bremer Osten beliebte Veranstaltungszentrum wieder aufzubauen.

Mittlerweile jedoch ist eine wichtige Vorentscheidung gefallen. Der alte Platz komme wegen des Ausbaus der Forensik nicht mehr in Frage, sagt Claus-Arnold Thielbar, Verwaltungsdirektor des Zentralkrankenhauses. Die soll nämlich erweitert werden und auch der schon bestehende Anbau läge viel zu dicht am Veranstaltungshaus: Bei ungünstigem Wind in der Brandnacht hätte die Forensik evakuiert werden müssen, sagt Thielbar – was allerdings die Frage aufwirft, wie der Erweiterungsbau überhaupt genehmigt werden konnte.

Durch die Standortentscheidung ist implizit auch die Frage „Rekonstruktion oder Neubau“ entschieden. Denn ein künstliches Duplikat andernorts sei Kitsch, sagen die Entscheidungsträger. Das werde auch von Seiten der Denkmalpflege so gesehen, der das „Haus im Park“ übrigens nicht unter Schutz gestellt hatte.

Offenbar hat in den beteiligten Gremien ein Umdenkungsprozess stattgefunden. „Nach langem Hin und Her und mit sehr vielen Tränen“ habe sich die Krankenhaus-Direktion vom alten Gebäude veranschiedet, sagt deren Vertreter Peter Kruckenberg. Auch der Beirat Ost hat sich, einen gegenteiligen früheren Beschluss kassierend, mit den Stimmen von SPD und Grünen für einen Neubau ausgesprochen.

Und Klaus Hübotter, für den die Wiedererrichtung des alten Gebäudes zunächst eine „sehr reizvolle Aufgabe“ war, meint nun: „Es ist ein Jammer, dass wir diesen Schatz durch ein paar Adventskerzen verloren haben – aber eine Rekonstruktion kann man nicht verantworten.“

Jetzt also ist ein Neubau auf der großen Wiese am alten Scheunenweg geplant – eine wegetechnisch günstigere Lage, die allerdings auch die Existenz des im alten Stil gebauten Hauses 51 in Frage stellt. Der Entwurf stammt von Ulf Sommer – in Bremen bekannt als Architekt des gelb verklinkerten Nordausgang des Bremer Hauptbahnhofs und des neuen Sparkassengebäudes an der Schwachhauser Heerstraße.

Dem geplanten Bühnenraum (mit Galerie und großen, Tageslicht spendenden Oberlichtern) ist ein verglastes Foyer vorgelagert, der kubisch gegliederte Baukörper an der „Formensprache der zeitlosen Moderne“ orientiert – ein „äußerst flexibles Gebäude“, sagt Sommer.

Doch unter den MitarbeiterInnen regt sich heftiger Protest. Viele können sich nicht vorstellen, dass vom ausgebrannten Gebäude nicht zumindest die Außenmauern rettbar seien. Und das neue Modell stößt auf wenig Gegenliebe. Ein „Aldi-Container“ sei das, mit dem „Charme einer Turnhalle“. Flachdach und Fassaden passten nicht in den Park mit seinen historischen Gebäuden, der Hauptraum böte wenig kommunikative Strukturen.

Besonderes Ärgernis: Bis auf ein – allerdings drei Mal sieben Meter messendes – Fenster seitlich der Bühne sind die Wände geschlossen und bis oben hin nach akustischen Gesichtspunkten vertäfelt. Das erfülle die Funktion eines hochkonzentrierten Konzertsaals, sei aber für Mitarbeiterbesprechungen und Schulungen denkbar ungeeignet. Ob es nicht alternative Entwürfe gäbe?

Die Klinikleitung begründet die Tatsache, dass kein Architekturwettbewerb ausgeschrieben wurde, unter anderem mit Zeitdruck. Thielbar: „Bis Ende 2004 muss der Ersatzbau schlüsselfertig sein, sonst zahlt uns die Versicherung keinen Pfennig.“

Geld ist auch ein weiteres Argument gegen die Rekonstruktion. Denn die würde nach Hübotters Schätzung mindestens eine Million Euro mehr als der Neubau kosten, für den durch die Versicherungszahlung von 2.050.000 Euro zur Verfügung stehen. Erst im Oktober entscheidet die Stiftung „Wohnliche Stadt“ über einen Zuschuss von 500.000 Euro – zu spät, um jetzt in die Planungen einbezogen zu werden, meint Hübotter.

Die grundsätzlichen Weichen scheinen also gestellt, die Ausführung birgt allerdings noch Zündstoff. Der Beirat wünscht sich die Einbeziehung historischer Elemente in den Neubau. Geplant sind aber nur wenige Applikationen: zwei Jugendstil-Türen und die Nachbildung des Stuckreliefs vom alten Eingang. Mehr sei nicht zu retten, sagt Architekt Sommer. Hübotter ergänzt: „Wir wollen kein kompromisslerisches Gebäude.“

Peter Kruckenberg, dem „ein großer Konsens“ unabdingbar erscheint, hält dagegen: „In der jetzigen Planung ist der „Status an Besonderheit, der das Gebäude auszeichnen muss, noch nicht gegeben.“ Der „sehr aktive Diskussionsprozess“ geht also weiter. Henning Bleyl