„Deutschland wird keine radikalere Reform durchsetzen“

Der schwedische Europaabgeordnete Karl Erik Olsson meint, dass eine Agrarreform nötig ist – unabhängig von der Osterweiterung. Denn ihre Kosten würden völlig überschätzt

taz: Herr Olsson, die Vorschläge von EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler werden von einigen als Revolution bezeichnet. Sind sie tatsächlich so radikal?

Karl Erik Olsson: Es ist kein so großer Schritt. Die Reduktion der Direktbeihilfen ist nicht substanziell – nur 20 Prozent über einen Zeitraum von sechs Jahren. Und das eingesparte Geld wird immer noch für den Agrarsektor ausgegeben, wenn auch auf sinnvollere Art und Weise – für Umweltschutz und ländliche Entwicklung.

Also ein Schritt in die richtige Richtung?

Man muss sich klar machen, dass es hier nur um die Halbzeitbilanz geht, nicht um eine vollkommene Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, die erst nach 2006 beginnen kann. Wenn Fischler seine Vorschläge durchsetzen kann, ist es ein Signal für eine vernünftige Agrarpolitik.

Fischlers letzte Reform wurde von den EU-Regierungen verwässert.

Tatsächlich waren die meisten Vorschläge schon 1999 auf dem Tisch, außer der Entkopplung der Beihilfen von der Produktion. Aber sie stießen auf eine Mauer der Ablehnung, und ich fürchte, das wird jetzt wieder so sein. Andererseits: Ein bisschen was hat sich bewegt. Ich bin kein Sozialdemokrat oder Grüner, aber ich merke, dass die neue deutsche Regierung das Land verändert hat. Deutschland unterstützt jetzt die reformfreudigeren Länder wie Großbritannien, Holland, mein eigenes Land – manchmal auch Dänemark.

Kann die EU-Erweiterung die Regierungen zu Reformen bewegen?

Schließlich soll der Agrarhaushalt trotz Erweiterung nicht wachsen.

Ich glaube, die Diskussion ums Geld wird überbewertet. Das ist Kleingeld. Die Kosten der Gemeinsamen Agrarpolitik machen gerade mal ein halbes Prozent des Bruttosozialprodukts der EU aus. Wenn die EU das zahlen muss, kann sie es auch. Das bedeutet für die alten Mitglieder rund 0,15 Prozent des BSP mehr. Das ist – verglichen mit den Staatshaushalten – nichts. Innerhalb des EU-Budgets hat der Agrarhaushalt einen großen Anteil, aber das liegt daran, dass das EU-Budget so klein ist. Wir können uns das leisten.

Die Bundesregierung sagt aber: Vor der Erweiterung brauchen wir eine radikale Agrarreform, die auch Kosten spart.

Das Argument, wir bräuchten eine Reform, sonst hätten wir ein Problem mit der Erweiterung, ist manchmal ganz nützlich. Aber es wird eben nicht nur für die Agrarreform, sondern auch gegen die Erweiterung eingesetzt. Und die ist viel wichtiger als die Landwirtschaft.

Trotzdem gehen Fischlers Vorschläge Nettozahlern wie Deutschland nicht weit genug.

Ich glaube nicht, dass irgendwelche Regierungen in der Lage sein werden, radikalere Vorschläge durchzusetzen als die der Kommission. Nicht einmal Deutschland. Sie mögen das in der Diskussion fordern – aber es ist nicht realistisch, weiter zu gehen als die Kommission es jetzt tut. Die Frage ist: Inwieweit werden die Südeuropäer, die größtenteils gegen Veränderungen sind, sich bewegen.

Wie könnte ein Kompromiss denn aussehen?

Die Entkopplung der Beihilfen von den Produktionsmengen könnte leicht akzeptiert werden – das wird niemandem wehtun. Und es ist gut für die WTO-Verhandlungen. Aber die Modulation – also die Kürzung der Direktbeihilfen um 3 Prozent im Jahr – wird in einigen Ländern auf Widerstand stoßen. Es ist offen, ob da wirklich drei Prozent herauskommen – oder null Prozent.

INTERVIEW: BARBARA SCHÄDER