Bilder für die Anklage

Polizei ermittelt gegen Fotografin wegen Berichterstattung über Brechmittel-Protest. Mopo-Kollegin gibt Bilder an Fahnder weiter

Die Mopo-Fotografin: „Man hat mich ins offene Messer laufen lassen“

von KAI VON APPEN

Weil sie ein Go-In ins Rechtsmedizinische Institut des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE) journalistisch begleitet hat, ist die Hamburger Fotografin Marily Stroux ins Visier der Polizei geraten: Die Abteilung Staatsschutz ermittelt gegen die langjährige taz-Mitarbeiterin wegen Hausfriedensbruchs. Sie stützt sich dabei vor allem auf Fotos, die Susanne Eichel, freie Fotografin für die Hamburger Morgenpost (Mopo), der Polizei übergeben hat – nur auf Anraten des Mopo-Polizeireporters Thomas Hirschbiegel, wie Eichel gegenüber der taz betont: „Herr Hirschbiegel sagte, ich hätte keine andere Wahl, als das Material auszuhändigen, sonst würde bei mir eine Hausdurchsuchung gemacht.“

Die inkriminierte Aktion nach dem Brechmitteltod von Achidi John in der UKE-Rechtsmedizin war zwar nicht offiziell angekündigt, kam aber dennoch nicht ganz überraschend: Als AktivistInnen am 25. Februar dieses Jahres den Leiter der UKE-Rechtsmedizin Klaus Püschel „besuchten“ und ihn wegen der Mitwirkung seines Institutes an Brechmitteleinsätzen zur Rede stellten, waren auch ausgewählte Medien dabei: Die Mopo in Person der Fotografin Eichel, die freie Politik-Fotoreporterin Stroux sowie zwei taz hamburg-Redakteure. Während der Aktion – das zeigt ein Video – bemühte sich Eichel, die AkteurInnen für ein Foto in Pose zu rücken.

Nach der Demo sieht ein Zivilfahnder Stroux mit anderen in ihr Auto einsteigen. Ermittlungen wegen einer angeblichen Mittäterschaft werden eingeleitet. So richtig in Schwung kommen diese aber erst, als Eichel dem Staatsschutz eine CD mit 42 Aufnahmen übergibt. Selbst bei den Fahndern löste der unerwartete Bildersegen Überraschung aus und provoziert die Nachfrage, warum die Fotografin nicht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht als Journalistin Gebrauch mache. Eichels Antwort laut Polizei: Sie könne eine derartige Aktion nicht tolerieren und habe sich von den Demonstranten instrumentalisiert gefühlt.

Für den langjährige Pressefotografen Günter Zint, Verwaltungsrats-Mitglied in der VG Bild-Kunst und ver.di-Aktivist, ist der Vorfall unglaublich: „Wir haben nicht so viele Jahre dafür gekämpft und sehr viel Geld dafür investiert, dass man uns das Fotomaterial nicht klaut und beschlagnahmt, damit irgendjemand es freiwillig abliefert.“ Zint weiß, wovon er redet: In den 80er Jahren war seine Firma PAN-Foto oft Ziel von Hausdurchsuchungen, weil die Strafverfolger Fotos von Demos und Aktionen begehrten – so zum Beispiel wegen einer Protestaktion anlässlich des Hamburger Kessels 1986.

Damals hatten türkische Jugendliche ein Transparent „Hamburger Polizisten Schläger und Geiselnehmer“ aufgehängt, Zint hatte dies dokumentiert. Selbst die bei Notar Henning Voscherau deponierten Negative beschlagnahmte der Staastschutz damals. Zint bekam von der Gewerkschaft IG Medien Rechtsschutz, um den Fall durch alle Instanzen zu fechten – mit Erfolg: Das Gericht stellte klipp und klar fest, dass Beschlagnahmen nur bei Kapitalverbrechen wie beispielsweise Mord oder Geiselnahme zulässig sind. Diesen Schutz hat der Gesetzgeber in der laufenden Legislaturperiode sogar noch ausgeweitet.

In der Mopo-Redaktion hat der Vorfall denn auch Fassungslosigkeit ausgelöst. Die Chefredaktion drückt ihr „Bedauern“ aus: „Die freie Mitarbeiterin hat ganz klar gegen unsere journalistischen Grundsätze verstoßen“, so Vize-Chefredakteur Thomas Friemel. Die Chefetage habe deshalb die Redaktion und die freien Mitarbeiter in einem internen Schreiben angewiesen: „Redaktionelles Material darf nicht an Polizei und Staatsanwaltschaft weitergereicht werden. Im Zweifel werden unsere Anwälte eingeschaltet.“ Auch Eichel bedauert heute, dass sie „falschen Informationen“ aufgesessen ist: „Ich war noch nie in einer solchen Situation. Man hat mich ins offene Messer laufen lassen.“