Wundersame Vermehrung

Einwohner, Wohnungen, Wirtschaftskraft, Steuereinnahmen, internationale Bedeutung: Bürgermeister Ole von Beust skizziert sein Konzept für einen Stadtstaat Hamburg, der zur pulsierenden Metropole von Weltrang heranwachsen soll

von PETER AHRENS und SVEN-MICHAEL VEIT

Ole von Beust hat eine Vision: Er sieht eine von ihm regierte Stadt, bewohnt von „Leistungsträgern mit ausbildungsmäßig gutem Niveau und jungen Familien“. Er sieht Hamburg als „Drehscheibe der Internationalität von der Ostsee bis nach China“. Sein Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) bemüht Vergleiche: Chicago, Vancouver, Barcelona, Lissabon. All das verbirgt sich hinter dem Schlagwort der „wachsenden Stadt“, dem Motto, unter das von Beust „den Arbeitsauftrag des Senats für die nächsten dreieinhalb Jahre“ gestellt hat. Gestern traten Bürgermeister und Finanzsenator vor die Presse, um ihr Konzept vorzustellen.

Dies besteht zunächst vor allem aus 83 Prüfaufträgen an nahezu alle städtischen Stellen, deren Ergebnisse im Frühjahr 2003 vorliegen sollen. Die Zielvorstellungen, die erfüllt werden sollen, sind klar umrissen: „Wir wollen die Stadt dauerhaft zu einer pulsierenden Metropole mit internationaler Ausstrahlung machen“, formuliert von Beust. Hamburg müsse sich „abkehren von dem Gedanken, dass Wachstum etwas Feindliches ist“.

Junge, zahlungskräftige Menschen sollen in die Stadt, damit diese mehr Steuern einnimmt und im Länderfinanzausgleich besser gestellt wird – pro EinwohnerIn, so hat Peiner errechnet, macht die Hansestadt einen Reingewinn von 700 Euro. Für das Erreichen dieses Ziels sollen in der Stadt neun weitere Gewerbeflächen mit etwa 188 Hektar ausgewiesen sowie 25.000 neue Wohnungen geschaffen werden, vor allem Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen, kündigte von Beust an. Für das Gebiet der bisherigen Röttiger-Kaserne in Neugraben-Fischbek wurde denn auch gestern ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet. Allein hier sollen bis zu 3000 Wohneinheiten entstehen.

Im Zentrum der Pläne steht der bislang vernachlässigte Hamburger Süden. Der „Brückenschlag“ über den Fluss in die Stadtteile jenseits der Elbe sei „die entscheidende Weichenstellung“ in der Entwicklung Hamburgs. Zentrale Achse ist die direkte Linie von der Innenstadt durch die Hafen-City zur Veddel, nach Wilhelmsburg und Harburg. In der „Aufwertung“ des Süderelberaums lägen „die Ressourcen zur Aufwertung Hamburgs als Stadt am Wasser“.

Mittelfristige Orientierungspunkte sind dabei die Internationale Gartenbauausstellung in Wilhelmsburg 2013 und – sofern Hamburg den Zuschlag erhalten sollte – die Olympischen Spiele ein Jahr zuvor. Diese beiden Schlüsselprojekte von internationaler Bedeutung liefern „die Herausforderung und die Motivation“ für eine forcierte Stadtentwicklung. Allein die Hafen-City würde wegen Olympia „zehn bis 15 Jahre früher realisiert“ werden müssen, als es im ursprünglichen Konzept des rot-grünen Senats vorgesehen war.

Die zweite Perspektive der Hamburg-Visionen von Schwarz-Schill richtet sich nach Norden und Osten. Für die boomende Ostsee-Region bis hin zu den künftigen EU-Staaten im Baltikum müsse Hamburg „das Entree“ als Hafen- und Handelsmetropole sein.

Das alles sorge, so die Überzeugung im Rathaus, für Wirtschaftskraft, Steuereinnahmen und Jobs. Und daraus entstehe die „magnetische Wirkung“ auf Menschen, die sicher sein könnten, dass es sich an der Elbe gut arbeiten und wohnen lasse. Auf diese Leute, „die bisher bei Umzügen einen großen Bogen um die Stadt machen“ und nach Schleswig-Holstein oder Niedersachsen ziehen, müsse die Stadt deshalb vorbereitet sein.

Diese Zentralisierungsstrategie der europäischen Metropole ist zugleich eine Kampfansage an die Ansiedlungspolitik der Kommunen im Speckgürtel, auch wenn der Bürgermeister das nicht so sehen möchte: „Die Prosperität von Lüneburg hängt schließlich auch vom Wohl Hamburgs ab.“ Wenn die Hansestadt gut ausgestattet sei, sei „immer noch genug fürs Umland da“.