philipp maußhardt über klatsch
: Bobbele, Babbele, Bibbele

Die Exfrau von Boris Becker wird herumgereicht wie eine seltene Meißener Porzellanfigur. Sie kann einem ja so Leid tun

Selbstverständlich bin auch ich Teil der deutschen Neidgesellschaft, und es wurmt mich regelmäßig, wenn ich erst auf mein Konto schaue und dann in die Bunte (vielleicht sollte ich es umgedreht machen). Diese dort abgebildeten Menschen mit ihren blütenweißen Zähnen bis C 7 rechts oben (Zahnarztjargon) fliegen nach dem Abendessen von Miami nach Cannes zum Baden, dazwischen shoppen sie in Kitzbühel und gehen anschließend Skifahren in New York. Oder so ähnlich. Egal, sie haben jedenfalls immer gute Laune und ein gefülltes Konto. Ich hingegen sitze auch bei Badewetter am Schreibtisch und muss noch froh darüber sein, dass es solche Müßiggänger gibt und ich etwas zu schreiben habe, um somit auch noch ein paar Euro an ihnen verdienen zu dürfen. Danke.

Eine dieser Mich-Wurmerinnen heißt Barbara Becker. Sie ist einer der wenigen echten Stars, die wir Deutschen haben, was sich letztendlich daran ermessen lässt, welche Honorare man ihr für einen Fernsehauftritt bietet oder wer sie auf ihre Partys einlädt. Bei Elton John im Schlossgarten in Windsor wurde Barbara vor einigen Tagen auf einer Party gefeiert, als habe sie gerade fünf Oscars gewonnen. Selbst Liz Hurley sei dagegen verblasst, muss ich lesen. Und Thomas Gottschalk lud sie in seine letzte „Wetten, dass …?“-Show ein, weil auch er weiß: Mit Barbara stimmt die Quote.

Barbara Becker ist zu einer Marke geworden, wie Underberg oder Escada, mit dem Unterschied, dass es von ihr nichts zu kaufen gibt, außer ihrer Anwesenheit. Zu sagen hat sie nichts, weil sie in ihrem Luxusgefängnis auf „Fisher-Island“ auch nichts Wirkliches erlebt. Es reicht, wenn sie in einem Interview ihren Exmann Boris Becker erwähnt, vielleicht noch hinzufügt, „es war eine schöne Zeit“, anschließend noch einen kleinen Exkurs zu ihren Kindern macht („Sie sind für mich das Wichtigste im Leben“) – schon sind die Leser oder Zuschauer wieder zufrieden. Barbara, eine tolle Frau. Wie sie das macht, so alleine. So tapfer. So selbstbewusst.

Es ist, glaube ich, kein redaktionelles Betriebsgeheimnis, zu verraten, dass die Honorare, die Barbara Becker für solche Interviews geboten werden, anderen Leuten ausreichen, ein kleines Einfamilienhaus zu bauen. (Wobei gerade in den kleinen Einfamilienhäusern die Fans von Barbara Becker wohnen). Sie hat den beneidenswerten Zustand erlangt, nur dafür bezahlt zu werden, auf der Welt zu sein. Zen oder die Kunst, die Fingernägel zu lackieren.

Seit ihrer Trennung von Boris (Bobbele) lebt Barbara (Babbele) in Miami auf einer von Sicherheitsleuten abgeschirmten Insel. Am Morgen macht sie etwas Yoga am Strand, bringt dann ihre beiden Kinder (Bibbele) zur Schule und in den Kindergarten, sammelt anschließend ein paar Muscheln und bastelt daraus eine Kette. Nachmittags: Fitnesstraining. Am Abend geht sie manchmal mit Freundinnen zum Essen. An den anderen Abenden quasselt sie stundenlang am Telefon mit ebendenselben. Es heißt: Sie würde auch singen. Aber gehört hat man davon noch nichts. So gehen sie dahin, die Tage in Miami, einem der langweiligsten Orte unter der Sonne. Seit ich einmal dort war, bin ich froh, in Kirchentellinsfurt zu wohnen.

Prinzessin Becker, gefangen auf einer Insel im Meer. Ab und zu darf sie ihr Gefängnis verlassen und muss dann in Mikrofone reden, obwohl sie gar nichts zu sagen hat. Das ist die Strafe, die der böse Zauberer mit dem Wunderschläger für sie ausgedacht hat. Alle drei Wochen kommt er auf die Insel und schaut nach, ob sie noch leidet …

… so wurde die schöne Barbara immer älter und älter. Ihre Gesichtszüge verhärmten und ihr Blick wurde stumpf.

SO. Jetzt geht es mir wieder besser. Ich kann sogar auf mein Konto und anschließend in Barbara Beckers dunkle Augen schauen, und es wurmt mich nichts mehr.

P.S.: Im vergangenen Jahr lief ich als einer von vier Menschen hinter dem Sarg von Kaiserin Soraya über den winterlichen Münchner Westfriedhof. Ein Rabe krächzte und ich konnte es nicht lassen, eine alte Frau, die das Grab ihres Mannes pflegte, im Vorbeigehen zu fragen, ob sie wisse, wer da so einsam im Sarg gerade an ihr vorbeigetragen werde. Ich hätte danach beinahe einen Notarzt rufen müssen, so erschrocken war die Frau. Noch lange hörte ich hinter mir den Ruf „Soraya, ach, die arme Soraya!“, der sich in das Knirschen der Räder des Sargwagens mischte. Ich dachte an Barbara.

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