Neue Medikamente – neue Hoffnung

„Fusionsblockierer“ stehen kurz vor der Zulassung. Bei älteren Medikamenten werden die Nebenwirkungen verringert

BERLIN taz ■ Die Medizin ist auf bestem Weg, Aids zu einer gut behandelbaren chronischen Krankheit zu machen, mit dauerhaft unterdrückter Viruslast – zumindest für Patienten in reichen Ländern. Mit den „Fusionsinhibitoren“ steht eine vollkommen neue Medikamentenklasse unmittelbar vor der Zulassung. Und die bisherigen antiviralen Mittel werden durch Weiterentwicklungen verträglicher.

Das neue Medikament T-20 von Hoffmann LaRoche kann vermutlich noch in diesem Jahr bei Patienten eingesetzt werden, die mit den bisher zugelassenen 14 antiviralen Arzneien keine Besserung erzielt haben oder wegen starker Nebenwirkungen die Mittel absetzen mussten. Im nächsten Jahr wird mit der regulären Zulassung für den so genannten Fusionsinhibitor auch in Deutschland gerechnet. T-20 ist ein synthetisches Peptid, das verhindert, dass HIV bei seinem Vermehrungszyklus überhaupt in die Wirtszelle eindringen kann. Die „Fusion“ mit der Zielzelle wird blockiert. Die Klasse der Fusionsblockierer markiert die erste Neuentwicklung antiviraler Aidsmedikamente seit Einführung der Proteasehemmer 1995, die den Durchbruch in der Aidstherapie erreichten.

Die in Barcelona vorgestellten Studien zeigen eine gute Virusunterdrückung durch T-20 bei gleichzeitigem Anstieg der Helferzellen des Immunsystems. Auch Patienten mit langjähriger Vorbehandlung und entsprechenden Resistenzproblemen können offenbar von dem neuen Medikament profitieren.

T-20 hat aber auch Nachteile. Das gravierendste Problem ist der Preis. T-20 wird vermutlich nochmals deutlich teurer sein als die 14 derzeit verfügbaren, ebenfalls schon sündteuren Aidsmedikamente. Auch die Anwendung ist schwierig. Das Peptid muss zweimal täglich unter die Haut gespritzt werden. Bisher bekannte Nebenwirkungen: Patienten berichten über Kopfschmerzen und Fieber.

Auch bei der „alten“ Klasse der „Proteasehemmer“ und „Reverse Transkriptase-Inhibitoren“ arbeiten Pharmafirmen an Fortentwicklungen. Sie sollen weniger Nebenwirkungen provozieren und damit besser verträglich sein. Vor allem die Cholesterinerhöhung und die Störungen des Fettstoffwechsels sollen milder ausfallen.

Die Neuentwicklungen kommen gerade rechtzeitig. Neue Studien, die in Barcelona vorgestellt wurden, zeigen, dass die Langzeitschäden durch die antivirale Kombinationstherapie gegen Aids heftiger ausfallen als befürchtet. Unter anderem nehmen Leberschäden zu, aber auch Osteoporose (Abbau der Knochendichte), Nervenschmerzen, Diabetes, Nierensteine, Potenzverlust, chronischer Durchfall und Hautausschläge zählen zu den Folgen der Aidstherapie. Besonders dramatisch ist das zuletzt häufiger beobachtete Auftreten von koronaren Herzkrankheiten und Infarkten. Viele Patienten haben stark erhöhte Blutfettwerte. Bei jedem zweiten Aidspatienten zeigen sich Fettstoffwechselstörungen mit auffälligen Umverteilungen des Körperfetts: Stiernacken, Bauchbildung, dünne Beine, Brustvergrößerung bei Frauen sind die Symptome. MANFRED KRIENER