auf der alm da gibt’s koa sünd (teil 2)
: taz-Sommerreporter JOSEF WINKLER wartet auf die Kühe, die nach Hause kommen

Von der Verständigung zwischen Mensch und Kalb

Eine Kuh macht Muh, viele Kühe machen Mühe. Hat meine Mutter immer gesagt, als sie noch selbst das bovine Vergnügen hatte. Ich weiß nicht, ob es idealisierte Bilderbucherinnerungen sind, aber ich glaube mich schon zu entsinnen, dass unsere Rindstiere früher noch deutlicher gesprochen haben.

Hier oben im Alm-Team habe ich zum Beispiel eine Kuh, die macht nicht Muh, sondern Iiiaaaahhh-urrrrrrröööööhr-uurrrrrööööhhhhr-uurrrrrööööhhhhhrr, so in der Art. Man möchte also gar nicht so genau wissen, was dann wohl viele Kühe machen. Aber es gibt hier sehr viele Kühe. Ungefähr 300 ziehen Tag und Nacht in Gruppen von 10 bis 20 auf 1.000 Hektar Almboden herum, und vielleicht ist es dieses aufregende Streunen und die gelegentlichen Rang-/Revier-Scharmützel mit fremden Herden, die aus den braven Milchkühen ein bisschen das Urviech herauskitzeln. Meine sehr neurotische Mitarbeiterin Schweizer (siehe Foto) etwa hat einen markerschütternd schrillen Schrei am Leib, ihr Markenzeichen aber ist ein ausgesprochen unheimliches Brummen, das sie zu einem hundertprozentig authentischen gutturalen Raubtier-Knurren variieren kann.

Wenn abends dann die Dunstschwaden aus den Wäldern wehen – träge erhebt sich der Blutmond hinter dem Bergkamm –, Schweizer schwer schnaufend um die Hütte knurrt, die Leitkuh Walmut ihr „Hier sind wir“-Positionsröhren röhrt, als Antwort ein spukiges Echo und die fernen, langgezogenen Rufe anderer vierbeiniger Nebelhörner, dann hat das schon was von Jurassic Park. Man wartet darauf, dass jeden Moment Jeff Goldblum zur Tür reinkommt, so blöd maniriert nervös guckt und irgendwas Neunmalkluges sagt, dass wir ein Problem haben und er das alles sowieso vorhergesagt hat und: „Das da draußen sind hochentwickelte Fressmaschinen und …“ – Boing! goes the Bratpfanne. Ah, Ruhe. So lösen „wir hier oben“ das B-Schauspieler-Problem, mein Freund.

Aber mit den Fressmaschinen hat er schon Recht. Gerade vorhin war zum Beispiel wieder die Stunde des Morgenkalbes. Meine beiden Teenagerkälber dürfen die Nacht über raus und kommen morgens jedesmal zu spät heim, wenn der Stall leer, geputzt und zugesperrt ist. Und dann wollen sie rein, alles vollsauen und ihre Weizenkleie schlabbern – vor allem das Jüngere ist besinnungslos gierig nach Kleie. Wenn ich dann nicht nachgebe, geht es dazu über, um die Hütte zu kreisen, mit einem unbeschreiblichen, durchdringenden, nackenhaareaufstellenden Dauergeschrei, das selbst den Dalai Lama aus dem Nervenkostüm schmeißen würde. Dabei verstehen wir uns sonst recht gut, die Teenies und ich. Letztens – gut, es war Alkohol im Spiel, zumindest meinerseits – haben wir uns lange unterhalten. Sie glauben nicht an eine verbale Verständigung zwischen Mensch und Rind? Mein Kalb auch nicht. Aber sie hat einen guten Humor. Sie leutselig kraulend frug ich, ob sie denn geneigt wäre, die Sache mit dem Morgengeplärr demnächst auf sich beruhen zu lassen und hielt dann doof mein Ohr an ihre Schnauze. Sie rülpste. Wenn ich in meinem Leben auch nur einmal so schlagfertig war, dann hab ich es leider nicht mitgekriegt.

So, ich muss jetzt unbedingt meinen Liegestuhl untersuchen. Seien Sie auch nächstes Mal wieder dabei, wenn Sie Jeff Goldblum sagen hören: „Der Gag mit dem Dalai Lama könnte von mir sein.“