Der Aufschneider

Was macht den Sommer cool? Teil 2: Schiebedächer bringen mehr Luft, Licht und Fahrvergnügen. Und sind auch noch preiswert, sagen Schiebedach-Händler. Zu Gast im Karosseriebau-Betrieb

aus Neuruppin CHRISTOPH SCHULZE

Frank Hintze, 34, ist ein netter, umgänglicher Typ, ansehnlich, ein echter Traumschwiegersohn. Doch wenn es um Schiebedächer geht – Geschäft ist schließlich Geschäft – hört er abrupt auf mit dem ihm sonst so vertrauten Kumpelton. „In den vergangenen Jahren beobachten wir eine Verschiebung des Interesses bei Kunden, hin zu höherwertigen Produkten, bei denen eine Schiebe- sowie eine Hebefunktion integriert sind“, sagt er.

Zwischen zwei und vier Schiebedächer montiert Hintze, Juniorchef des Hintze Karosserie-Fachbetriebs im brandenburgischen Neuruppin, jeden Monat. Das sind gute Zahlen für eine Branche, die daran krankt, dass viele Autohersteller die Dachfenster inzwischen gegen Aufpreis auch serienmäßig anbieten.

Die Werkstatt in Neuruppin hat einen Ruf zu verteidigen. Manche Kunden nehmen hunderte Kilometer Anfahrtsweg in Kauf, da sie den Service des Traditions-Familienbetriebs (Gründungsjahr: 1890) zu schätzen wissen. Der Stammhalter in der vierten Generation, Frank Hintze, ist schließlich selbst Schiebedach-Liebhaber und darum fällt ihm die Beratung seiner Klientel genauso leicht wie der Lobgesang auf die Vorzüge von Schiebedächern. „Man muss sein Fahrzeug gerade bei sommerlichen Temperaturen permanent mit wirklicher Frischluft versorgen. Das geht nun einmal am Besten mit einem Schiebedach, eine Klimaanlage kühlt ja nur die abgestandene Luft ab.“ Einfach die Seitenscheiben herunterzukurbeln, sei auch keine Lösung: „Das zieht. Da holt man sich einen steifen Nacken.“

Frischluftfan Hintze mag es gar nicht, wenn man Schiebedächer als „Cabrioverschnitt für Arme“ tituliert. Vielmehr seien sie preisgünstig und sorgen für ein mehr an Licht, Luft und Fahrvergnügen. Die Leute, die bereit sind, dafür die Kosten von 250 bis 700 Euro in Kauf zu nehmen, kämen querbeet aus allen Schichten der Gesellschaft. „Junge Individualisten sind dabei, Familienväter, aber auch mal ein Rentnerehepaar.“ Vor allem Kleinwagen oder Mittelklasse-Autos werden in der Neuruppiner Werkstatt mit Schiebedächern nachgerüstet, nur in Ausnahmefällen auch mal Fahrzeug der Oberklasse. Vor allem die Produkte des führenden Schiebedach-Herstellers Webasto werden den Kunden empfohlen. „Saisonale Verschiebungen in der Auftragslage“ seien selbstverständlich: Im Sommer wollen alle ein Schiebedach. Im Winter kaum jemand, es ist ja so schon kalt genug.

Der kurioseste Kunde war bislang: ein Hund. Dessen Herrchen, ein Berliner, lässt ihn beim Einkaufen nämlich gerne im Auto Wache schieben. Das kann bei sommerlicher Hitze nicht gut für den Kreislauf des Zweibeiners sein, musste der Hundehalter schließlich einräumen. Und griff für das Schiebedach ordentlich in die Tasche. Seitdem kann der Hund unbeschwert atmen und Herrchen ruhigen Gewissens shoppen gehen.

Der Einbau eines Schiebedachs geht erstaunlich schnell vonstatten. Er kann in den meisten Fällen sozusagen ambulant vorgenommen werden. „Den Himmel im Dachinneren schneiden wir mittels eines Cuttermessers mit elektronischer Vibrationssäge auf, entsprechend der Vorgabe einer Schablone“, erläutert Frank Hintze in Bedienungsanleitungs-Deutsch den ersten Arbeitsschritt. Von oben aus wird sodann mit einer Blechschere die Dachhaut entfernt. Dann kann das Schiebedach selbst eingepasst, die Schnittkanten versiegelt, ein Gegenrahmen gesetzt, die Elektronik angeschlossen, die Abdichtung aufgetragen, die Himmelverkleidung montiert und die Rechnung für den Kunden ausgestellt werden. Drei bis fünf Stunden dauert das Procedere. Am heikelsten ist das Aufschneiden des Dachblechs. „Toi, toi, toi, bisher haben wir uns noch nie verschnitten“, sagt Hintze stolz. Auch beim Privat-Pkw hat alles geklappt. Einen Polo fährt der Karosseriebauer Hintze in seiner Freizeit, „ausgestattet mit einem selbst eingebauten, höherwertigen Hebeschiebedach.“ Das Open-Air-Gefühl beim Fahren will er nicht missen. „Außerdem stehe ich ja schließlich zu meinem Produkt.“