Sommerloch dauert

Alles wird gut: Regierung findet keinen Nachfolger für den Chef der Telekom. Und der Aktienkurs steigt und steigt

BERLIN taz ■ Der Kanzler ist, objektiv betrachtet, ein genialerer Taktiker und Wirtschaftsführer als alle seine Kritiker ahnen. Das wird in der Medienschlacht um den Telekom-Vorstandsvorsitzenden Ron Sommer deutlich. Angeblich will die Bundesregierung durch zähe Demontage in der Öffentlichkeit Sommer nun doch loswerden, nachdem sie ihn über all die Jahre mehr oder weniger unkontrolliert hat gewähren lassen. Weit gefehlt.

Was letztlich zählt sind die Fakten. Und neben all dem Gerede um angebliche Kandidaten gibt es in der wirklichen Börsenwelt derzeit vor allem eine Entwicklung: Die Telekom-Aktie geht steil nach oben. Stürzte sie vor kurzem noch auf ihr Allzeittief von 8,14 Euro, kletterte sie gestern Nachmittag teilweise auf über 12,30 Euro. Das macht schon ein Plus von 50 Prozent – und die Spekulationen über den T-Vorstand lassen sich angesichts des derzeitigen Nachrichten-Sommerlochs bestimmt noch eine Woche aufrechterhalten. Unglaublich und bewundernswert, was dieser Schröder bewirkt, indem er zu einem Thema kaum einen Kommentar abgibt. Das lässt sich bestimmt auf andere Bereiche übertragen, und auch andere Parteipolitiker sollten es einmal mit dieser Methode versuchen – schweigen statt gesundbeten.

Es geht auch nicht darum, Ron Sommers Ruf zu ruinieren, sondern ihn zu stärken. Die Debatte in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen ist eine einmalige Gelegenheit für ihn, sein Image als Versager und Großmaul abzulegen. Täglich beweist er Steherqualitäten, schart die Belegschaft wieder hinter sich. Gestern veröffentlichten tausende von Telekom-Mitarbeitern einen offenen Brief, der auch in Zeitungsanzeigen erschien. Darin monieren sie, die Telekom werde als „politischer Spielball“ missbraucht und verteidigen die Strategie des Konzerns. Und über kurz oder lang werden auch die T-Aktionäre verzeihen. Das ist sicherlich Teil von Schröders genial ausgeklügeltem T-Plan.

Am Mittwochabend übrigens wartete die Telekom auch noch mit ein paar Fakten auf: Vorzeitig wurden ein paar positive Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2002 bekannt gegeben. Ohne all die Milliarden für Schuldentilgungen, Zinsen und Abschreibungen von überteuert gekauften Mobilfunktöchtern und -lizenzen stieg der so genannte Ebitda-Gewinn weiter an. Wie hoch das Minus nach Zinsen etc. aussieht, konnte anscheinend in der Eile nicht errechnet werden. Na denn. Wir seufzen ergeben und warten auf den nächsten Schachzug. REINER METZGER