Stoiber mangelt’s am Kleingeld

Bei der Präsentation seines Anti-Hartz-Papiers muss Kanzlerkandidat Stoiber vor allem eine Frage beantworten: Wo soll das Geld für die „Offensive 2002“ herkommen? Arbeitsminister Riester signalisiert, Stoibers beste Ideen übernehmen zu wollen

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Der SPD dürften derartige Auftritte noch in schmerzhafter Erinnerung sein. Von Johannes Rau bis Rudolf Scharping – ein SPD-Kanzlerkandidat nach dem anderen erlebte in den 16 Jahren der Opposition dasselbe Debakel: Hoffnungsfroh präsentierte er seine Ideen für eine bessere Zukunft. Dann kam die Frage nach der Finanzierbarkeit – und der Kandidat war politisch erledigt. Als schwante ihm die Gefahr, trat Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber gestern bewaffnet mit umfänglichen Papieren vor die Presse.

Als Antwort auf die Image-Erfolge der Bundesregierung mit der Hartz-Kommission boten der bayerische Ministerpräsident und sein früherer baden-württembergische Kollege Lothar Späth 25 Einzelmaßnahmen auf – gebündelt zu einem Stoiber-Späth-Plan „Offensive 2002“.

Im Laufe der mit anderthalb Stunden ungewöhnlich langen Pressekonferenz tranchierten die Frager den Plan wie eine Weihnachtsgans: Ein Teil stammt aus dem Wahlprogramm von CDU und CSU – etwa die Aussetzung der Ökosteuer. Der zweite Teil deckt sich mit Vorschlägen der Hartz-Kommission (siehe Kasten). Der dritte Teil umfasst neben Allgemeinplätzen wie einer „Taskforce zur Bürokratiebefreiung“ direkte Zuwendungen in Form von einer Milliarde Euro für kommunale Investitionen in Ostdeutschland sowie einer weiteren Milliarde für ein Sonderförderprogramm Ost.

Die Gesamtkosten des Stoiber-Späth-Plans bezifferten beide Politiker auf knapp 10 Milliarden Euro – und fanden sich prompt für den längsten Teil ihres Auftritts in Fragen zur Finanzierung verwickelt.

Zu seiner Verteidigung griff der CSU-Chef auf finanzpolitische Wundermittel zurück, deren sich einst auch SPD-Kanzlerkandidaten mit Vorliebe bedient hatten: Privatisierung von Bundesbeteiligungen und Haushaltsumschichtungen. Wo umgeschichtet und wo verkauft werde, könne man allerdings erst nach der Bundestagswahl sagen. Im Übrigen setze man auf „größere finanzielle Spielräume“ durch „mehr Wachstum“.

Konkret wurde Lothar Späth nur bei den Ost-Investitionen. Für sie möchte der frühere Jenoptik-Manager Rückflüsse aus nicht verbrauchten EU-Beiträgen verwenden. Nur eine Stunde zuvor hatte allerdings das Finanzministerium erklärt, die Rückflüsse seien in den Haushalt „integriert“ und stünden nicht mehr zur Verfügung.

Seine finanzpolitische Seriosität suchte Stoiber mit der Beteuerung abzusichern, sein Plan werde „natürlich mit keiner Mark neuer Schuldenaufnahme finanziert“. Auch am Stabilitätspakt der Eurozone wolle die Union festhalten, schließlich habe den einst CSU-Finanzminister Theo Waigel durchgesetzt. Weit weniger entschieden klang Stoibers Aussage zur Zukunft des rot-grünen Sparkurses unter einer schwarzen Regierung: „Natürlich behalten wir die Konsolidierung des Haushalts im Auge.“

Arbeitsminister Walter Riester bezeichnete das Programm der Union als einen Reflex auf die Vorschläge der Hartz-Kommission. Einzelne sinnvolle Vorschläge von Stoiber wolle die Bundesregierung gerne übernehmen. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) äußerte sich deutlich: „Nach dem, was ich weiß, ist ein Drittel nicht gerade neu, ein weiteres Drittel ist bereits auf den Weg gebracht, und ein weiteres Drittel ist nicht zu finanzieren.“

Den Kampf um öffentliche Wahrnehmung der „Offensive 2002“ nahmen die politischen Lager aber sofort auf. Mit der Hartz-Kommission war die Koalition in der Arbeitsmarktpolitik vorübergehend in die Offensive gekommen, doch geriet sie sofort wieder unter Druck wegen der gestiegenen Arbeitslosenzahlen sowie der Telekom-Krise. Stoiber-Berater Spreng stellte daher zufrieden fest: „Diese Woche sind wir in die Zielgerade eingebogen.“ Wen er dabei vorne sieht, das versteht sich von selbst.