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: Die starken und die schwachen Arbeitslosen

Es stimmt ja nicht, dass sich nichts bewegt in der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland: Zumindest der Diskussionsstil hat sich verändert. Selten zuvor wurden die eigentlichen Probleme so verschleiert. Tarnung Nummer eins sind die Pläne der vom Kanzler eingesetzten Hartz-Kommission, die als Modernisierung daherkommen, deren Knackpunkt aber die sozialen Kürzungen bei der Arbeitslosenunterstützung sind. Tarnung Nummer zwei sind die gestern präsentierten CDU-Vorschläge, die als wirksame Jobförderprogramme erscheinen, in Wirklichkeit aber nur Subventionsversprechen sind, deren Finanzierung nicht geklärt ist.

Die Parteien balancieren ängstlich auf einer öffentlichen Meinung, die in sozialen Fragen so unberechenbar und fragil ist wie nie zuvor, aber eben vor allem eines fordert: politische Bewegung. Während sich die CDU daraufhin in unbezahlbare Wahlkampfversprechen flüchtet, stellt sich die real regierende SPD angesichts knapper Haushaltskassen die Frage, welche Sozialkürzungen denn die Bevölkerung so akzeptieren würde.

Der Kernpunkt der Hartz-Pläne ist die Befristung von Arbeitslosengeld und -hilfe. Befristet man die bislang unbegrenzt gezahlte Arbeitslosenhilfe, wird der eine oder andere „stärkere“, also jüngere, gesunde Arbeitslose bei der Jobsuche vermutlich tatsächlich flexibler sein und auch eine schlechter bezahlte Stelle annehmen. Der sehr viel größere Teil der „schwächeren“, also älteren, gesundheitlich manchmal angeschlagenen Langzeitarbeitslosen aber hat diese Wahlmöglichkeit nicht und verliert durch Kürzungen nur an Einkommen. Er brächte das Opfer für die „Modernisierung“ der Arbeitsmarktpolitik – ein heikler Punkt in einer Zeit der Massenentlassungen, in der für die meisten Arbeitslosen wieder die „Unschuldsvermutung“ gilt.

Wenn man also überhaupt über Kürzungen sprechen will, muss man sich die Frage stellen, ob eine Differenzierung möglich ist – etwa über Altersgrenzen im Falle einer Befristung der Arbeitslosenhilfe. Wer nicht über Differenzierungen reden kann, der sollte von Kürzungen schweigen. Und sie auch nicht als „Modernisierung“ verbrämen. Denn Tarnungen machen Angst. Besonders in Wahlkampfzeiten.

BARBARA DRIBBUSCH

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