Feuer und Flamme für Europa

Hamburger SchwimmerInnen in guter Frühform: Beim Test am Freitag und Sonnabend in der Alster- Schwimmhalle für die Europameisterschaften in zwei Wochen glühten sie unter Saunabedingungen schon mal mächtig vor

„Nicht noch mal wegen ein bisschen Geld eine Topschwimmerin wie Antje Buschschulte verlieren.“

von OKE GÖTTLICH

Hamburg ist heiß. Heiß auf die Olympischen Spiele, heiß auf publicityträchtige Auftritte und heiß auf die Anerkennung vieler verschiedener Sportfunktionäre aus Reihen des Nationalen Olympischen Komitees (NOK). Und eben diese schätzen Hamburgs Engagement auch für den Schwimmsport. Feuer und Flamme für die Spiele 2012 – eine hitzige Angelegenheit. Ganz besonders im Bauch der Alster-Schwimmhalle, in dem viele StarterInnen der schwimmenden Nationalmannschaft in einem Vorbereitungswettkampf für die Europameisterschaften in Berlin (ab 26. Juli) vorschwitzten.

„Das Ganze ist nicht dazu gedacht, Topleistungen zu präsentieren, sondern um den Motor vorzuwärmen“, erklärt der Direktor des Deutschen Schwimmverbandes, Ralf Beckmann, in Sorge um einen ähnlichen „Kaltstart“ wie bei Olympia 2000 in Sydney. Die Sorgenfalten aber konnten sich nicht zuletzt dank der knapp 40 Grad um den in der Sonne gelegenen Beckenrand herum getrost glätten. Vorgewärmt waren alle. Die knapp 300 Zuschauer, die ihr Engagement für Olympia und die Schwimmerinnen mit Schweißflecken in Melonengröße demonstrierten. Die Trainer- und BetreuerInnen, die den Schatten suchten, um die Zeiten ihrer Schützlinge zu stoppen, und die über 110 SchwimmerInnen selbst. Sie fanden in dem kühlenden Becken bei der Ausübung ihres Sports eine erfrischendeZuflucht vor dem subtropischen Klima.

Der Hamburger Delegation (Sandra Völker, Jens Thiele, Ivana Lange und andere) um den wieder einmal erfolgreichen Trainer Dirk Lange konnte dies nur Recht sein. Mit zahlreichen Erfolgen seiner Schützlinge erhofft er sich einen gestiegenen Stellenwert des Schwimmstandorts Hamburg und fordert weitere Stellen am Olympiastützpunkt Dulsbergbad. „Nicht noch einmal dürfen wir wegen ein bisschen Geld eine Topschwimmerin wie Antje Buschschulte an andere Standorte verlieren.“ Neben seiner Erfolgsgarantie Völker („Ich merke mir zwar nicht, wie ich gestartet bin, aber Wettkampf ist besser als Training.“), die über 50 Meter Rücken in 29,22 Sekunden ihre schärfste Konkurrentin Buschschulte („Mit der krummen Decke in dieser Halle ist es schwer, schnelle Zeiten zu schwimmen. Und an etwas muss man sich ja orientieren.“) besiegte, demonstrierte vor allem der medizinisch bereits abgeschriebene Freistilschwimmer Jens Thiele seine Ambitionen.

Ein Vierteljahr quälte er sich durch die Rehabilitation eines komplizierten Handwurzelknochenbruchs. Niemand traute Thiele zu, sich in den EM-Kader zu schwimmen. Einige Ärzte veranschlagten mehr als ein Jahr Pause. Bei den Deutschen Meisterschaften schwamm er dann doch mit, aber hinterher. In Hamburg bewies er mit seinem Sieg über 100 Meter Freistil, dass mit ihm in der 4x100-Meter-Staffel zu rechnen sein wird. „Ich rechne nach diesem Erfolg fest damit, in der Staffel dabei zu sein“, erklärt der 21-Jährige. DSV-Sportdirektor Ralf Beckmann unterstützt die Ambitionen Thieles. „Er hat sich rechtzeitig zum Top-Ereignis des Jahres auf hohem Niveau stabilisiert und bringt auch aus emotionaler Sicht viele Pluspunkte für die Staffel mit.“

Denn Thiele ist keiner, der zu vorsichtig ist. „Ich bin so offensiv wie bei meinem Comeback und denke, dass eine EM-Medaille für die Staffel Pflicht ist.“ Doch auch einen wie Thiele, von dem Ralf Beckmann sagt, dass er „ein Mann mit Zukunft ist“, muss Trainer Dirk Lange nun ziehen lassen. Bis zu den Olympischen Spielen 2004 in Athen wird er in die USA gehen. Ein Stipendium an der Universität in Berkeley ermöglicht ihm eine optimale Vorbereitung mit Schwimmern der Weltspitze.

„Wenn ich mir für Hamburg was wünschen dürfte, wäre es eine optimierte Verzahnung von Ausbildung und Leistungssport. Da wäre der Senator mal gefragt“, schlussfolgert er.

Doch Sport- und Bildungssenator Rudolf Lange war an diesem Wochenende nicht Feuer und Flamme. Er muss sich nach den gescheiterten Löschaktionen hitziger Bildungsdebatten erst mal abkühlen. Etwas, was die AthletInnen des DSV sich vor der Europameisterschaft nicht erlauben sollten.