„Nur noch Geld ranschaffen“

Klinkenputzen statt Kanufahren: Die Oldenburger Freizeit- und Begegnungsstätte „Kiek-In“ ist in akuter Geldnot. Das Angebot für Behinderte wird möglicherweise drastisch eingeschränkt

Nischen ohne die Kontrolle durch Eltern oder Betreuer sind selten – aber wichtig

Treffpunkte für Menschen mit Behinderung sind rar. Zumal, wenn sie ihre Freizeit fernab elterlicher oder betreuerischer Kontrolle verbringen wollen. Seit 1980 bietet das Oldenburger „Kiek-In“ diese Möglichkeit. Obwohl die Einrichtung von 32 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen getragen wird und die einzige voll bezahlte Stelle von 25 auf 18 Stunden pro Woche eingedampft wurde, schleppt die Einrichtung derzeit ein Defizit von beachtlichen 7.000 Euro mit sich herum.

Die Spenden sind rückläufig, dem Trägerverein, der SELAM-Lebenshilfe GmbH, fehlt es an Geld und die städtischen Zuwendungen in Höhe von 28.277 Euro, die über das Jugendamt reinkommen, reichen nicht aus, um das vielfältige Angebot der Freizeitstätte zu erhalten. Holger Lindemann, der Leiter des „Kiek-In“ klingt angefressen: „Wir können natürlich auch Klinken putzen gehen ... Es ist ja jetzt schon frustrierend: Als ich hier angefangen habe, konnte ich noch Kanufahrten organisieren. Jetzt bin ich nur noch damit beschäftigt, Geld ranzuschaffen.“

Ende Juni waren die Fördermittel Thema einer Sitzung des Sozialausschusses. Ergebnis: Die Stadt zeigt sich unwillig, den Besuch der wöchentlich stattfindenden Gruppen für Besucher über 27 Jahren – die aus der Förderung des Jugendamtes herausfallen – als Eingliederungshilfe über das Sozialamt zu finanzieren. Die Lage ist so ernst, dass das „Kiek-In“ inzwischen für die Betroffenen Beiträge in Höhe von 134 Euro pro 22 Termine erhebt.

Dabei wird es bis auf Weiteres wohl auch bleiben: „Die Anträge unserer Besucher wurden abgelehnt“, so Lindemann „weil die Stadt unsere kostenlosen Angebote für ausreichend hält.“ Da wäre etwa die monatliche „Freak-Out“- Disco. Die Möglichkeit, sich in persönlichem Rahmen mit Freunden zu treffen ist durch solche Veranstaltungen freilich nicht zu ersetzten. Jürgen Krogmann vom Pressebüro der Stadt Oldenburg sieht das Problem auf einer ganz anderen Ebene: „Wir haben aber das Gefühl, die SELAM will uns die Kosten der über 27-Jährigen aufdrängen.“ Auch werde der Zuschuss dem Jugendamt lediglich aus haushaltstechnischen Gründen zugeordnet, er diene jedoch der Deckung der allgemeinen Betriebskosten, unabhängig vom Alter der Nutzer. Für andere Projekte jedenfalls scheint die Stadt nach wie vor genügend Geld zu haben. Lindemann erinnert angesäuert an den gescheiterten Versuch einer neuen Verkehrsführung am Theaterwall: „Das hat zigtausend Euro verschlungen“.

Doch ist man in der Freizeitstätte weit davon entfernt, klein beizugeben. Im August steht eine weitere Sitzung des Sozialausschusses ins Haus, einige Antragsteller wollen ins Widerrufverfahren gehen. Der Leiter des „Kiek-In“ selbst gibt sich kämpferisch: „Wenn es sein muss, werden wir auch kreative Protestaktionen starten“. Dafür wäre allerdings wieder Energie nötig, die in der Freizeitarbeit besser aufgehoben wäre.

Christoph Kutzer