Popkomm für Plattenaufleger

Bislang galt „Musik und Maschine“ im Haus der Kulturen der Welt als ein lockeres Treffen für DJs am Rande der Love Parade. Doch in diesem Jahr zählte auch auf der dritten Berliner Technomesse bloß noch der starre Wille zur Professionalisierung

von ANDREAS HARTMANN

Der da gerade auflegt, ist Pacou. Er hat schon ein paar Platten auf Tresor Records herausgebracht, wird als DJ selbst in Australien regelmäßig gebucht, muss aber heute, am letzten der beiden Kongresstage von „Musik und Maschine“, der „Messe der elektronischen Musik und digitalen Kultur“ im Haus der Kulturen der Welt, nachmittags auf einer eingerichteten Nachwuchsbühne auflegen. Niemand tanzt, niemand interessiert sich für sein Set. Die Ernüchterung, die sich auf Pacous Gesicht abzeichnet, ist ein Signal für die ganze Veranstaltung.

Dabei hatte man sich alles so schön ausgedacht für diesen „Musik und Maschine“-Kongress, der DJs, Labelmachern, Softwareherstellern, schlichtweg allen, die eine Schnittstelle zur elektronischen Musik beackern, zum dritten Mal die Möglichkeit zum großen Hallo geben sollte. Strategisch gut gelegen ist die Veranstaltung schließlich auch, zum Love-Parade-Weekend zieht es eh alle aus dem Business in Richtung Berlin. Größer hat es dieses Mal werden sollen. DJ Hell spricht davon, es ginge darum, sich gar „gegenüber internationalen Events wie der Midem in Cannes und der Messe in Detroit stärker zu profilieren.“ Also wurde versucht, die lauschige Kaffeerunde der letzten beiden Jahre, bei der die DJs – ohnehin fast alle aus dem Tresor-Umfeld – weitgehend unter sich blieben, ein wenig zu öffnen. Nun wollte man eine richtige Messe aus dem Boden stampfen.

Eine Entscheidung mit Folgen: Wo sonst zwischen den Panels eben mal belegte Brötchen für Kollegen serviert wurden, mussten sich Besucher nun zu marktwirtschaftlichen Bedingungen vom Catering-Service des Haus der Kulturen der Welt bedienen lassen. „Musik und Maschine“ befindet sich nach der Versuchsphase nun in der Aufbauphase. Diese Professionalisierung scheint für alle Beteiligten besonders hart zu sein. Das Buffet bei den Award-Verleihungen wurde dieses Jahr auch gestrichen.

Eigentlich galt Dimitri Hegemann, Besitzer des Tresor-Clubs und Eigentümer einiger anderer Immobilien in der Stadt, auch mit „Musik und Maschine“ als Visionär. Immer noch träumt er von einem Tresor-Tower, einem multifunktionalen Superclub, in dem sich auch David Bowie wohl fühlen könnte. Die schicke Technomesse soll ihm deshalb wenigstens den wohl Ende des Jahres endgültig abgewickelten Tresor kompensieren. Doch irgendwie scheint Hegemann dieses Mal zu früh aus seinen Träumen gerissen worden zu sein: „Musik und Maschine“ wirkte so orientierungslos, dass man sich ernsthaft fragen musste, was die ganze Veranstaltung überhaupt soll. Nicht nur Pacou blieb mit sich allein, auch die Repräsentanten von Equipment-Herstellern und den paar kleinen Labels, die sich auf der Messe verloren hatten, mussten keinen Tod durch Überarbeitung befürchten. All die renommierten DJs und einflussreichen Menschen aus der Branche waren wirklich nicht hier, um sich für einen neuen Mixer zu begeistern; und einfach nur Musikinteressierte fanden den Weg zur Messe gleich gar nicht.

Obwohl man dieses Jahr ein wenig Popkomm-Feeling versprochen hatte, blieben die Szenehanseln unter sich. Dabei hatte sich selbst DJ Hell als Schirmherr dazugeschaltet. Vielleicht war er auch nur zu sehr eingespannt davon, seine Acts und sein Label bei den Award-Nominierungen unterzubringen und sich auf die Panels vorzubereiten. Bei einem davon stellte er jedenfalls den Martin vor. Der Martin ist vierzehneinhalb Jahre alt, schon seit längerem ein guter Freund vom Hell, jetzt schon ein perfekter DJ, seit neuestem ein Act auf Hells-Gigolo-Label und soll die „Next generation“, eine prognostizierte Welle von Teenie-DJs, repräsentieren. Der Martin stellte sich dann den Fragen des Publikums, sein Vater, ein 47 jähriger Stones-Fan, machte deutlich, wie stolz er auf seinen Sohn sei, und der Hell erklärte, welche Verantwortung er gegenüber seinem Schützling verspüren würde, der aufgrund seines Alters unter den Jugendschutz fällt und deswegen in Clubs noch nicht richtig auflegen dürfe. Es werde zwar bald ein Feature in The Face geben über Martin, den jüngsten DJ der Welt oder so etwas; und natürlich sitze der Junge nur aufgrund seines Alters auf dem Podium. Aber Teil einer Freakshow sei der Martin trotzdem nicht.

Wer bei „Musik und Maschine“ noch so etwas wie den Spirit von Techno suchte, etwas über die soziokulturelle Verankerung dieser sich immer stärker von den eigenen Wurzeln im Underground emanzipierten Musik erfahren wollte, hatte meist das Nachsehen. Ganz selbstverständlich wurde davon ausgegangen, dass der DJ und Produzent von heute seine eigene Firma ist und deswegen hauptsächlich zusehen müsse, wie er sich und seine Musik besser vermarkten könne. Als beim Panel „Copyright is dead!“ der Berliner Produzent Robert Henke dennoch äußerte, dass es in der elektronischen Musik eben ein paar gebe, die gut Kohle machen würden, während andere sich mit weniger Einnahmen zufrieden gäben – und deswegen auch gar nicht an einem Copyright interessiert wären –, hatte man das Gefühl, alle würden ihn anglotzen wie ein Alien. Musik zu machen, ohne damit groß Geld verdienen zu wollen, das war ja tatsächlich mal ein völlig abgefahrener Ansatz. In solchen Momenten konnte man bei „Musik und Maschine“ echt zum Nostalgiker werden. Und natürlich war die Love Parade auch schon besser.