Wie steure ich die Steuerdebatte?

von BEATE WILLMS

Die Steuerdebatte gehört zu jedem Wahlkampf. Dabei geht es nicht um die öffentlichen Haushalte. Mit trockenem Zahlenwerk lassen sich kaum Punkte machen. Das Verhältnis des privaten Steuerzahlers zum Abgabensystem – das wissen auch Sie – ist sehr sinnlich geprägt. Es kommt darauf an, ihm deutlich zu machen, an welchen Punkten er profitiert. Wir sagen Ihnen, wie. Halten Sie sich einfach an die folgenden Empfehlungen:

1. Kündigen Sie erst einmal ganz wolkig an, dass Sie irgendwie die Steuer reformieren wollen.

Damit machen Sie schon den ersten Punkt beim Wählerpublikum. Denn egal, welches Steuersystem bislang gilt – der Steuerzahler empfindet es als zutiefst ungerecht: Entweder zahlt er selbst zu viel, oder die anderen zahlen zu wenig. Oder beides auf einmal.

2. Kündigen Sie an, die Steuern zu senken.

Dass Steuern in erster Linie eine Last sind, scheint inzwischen Konsens. Dass die politischen Möglichkeiten des Bundes, der Länder und der Gemeinden von dieser Einnahmequelle abhängen – das wird der Öffentlichkeit nur alle sechs Monate bewusst, wenn nach der Steuerschätzung das neue Sparprogramm verkündet wird. Darauf brauchen Sie aber keine Rücksicht zu nehmen: Am Wahltag ist der letzte Schock bereits vergessen, und der nächste lässt noch auf sich warten.

3. Versprechen Sie, das System einfacher zu machen.

Zugegeben, auch diese Ankündigung ist nicht besonders originell. Aber wirksam. Schüren Sie den Neid der privaten Steuerzahler. Weisen Sie darauf hin, dass der Staat im vergangenen Jahr mehr Körperschaftssteuer zurückgezahlt als eingenommen hat. Zeigen Sie mit dem Finger auf die Dresdner Bank, deren Gewinn nach Steuern höher ausfiel als vor dem Gang aufs Finanzamt. Prangern Sie diese „Steuerprivilegien“ an. Oder reden Sie noch besser von „Steuerschlupflöchern“, das klingt nach Halbseide und Grauzone. Auf die Stimmen von ein paar Managern kommt es bei der Wahl nicht an.

4. Werden Sie bloß nicht zu konkret.

Wenn Sie darüber reden, welche Vergünstigungen Sie streichen wollen – dann machen Sie den Steuerzahlern erst bewusst, dass auch sie von den Schlupflöchern profitieren. Wenn es um die Steuerfreiheit von Nachtzuschlägen oder um die Kilometerpauschale geht, sind Steuerprivilegien plötzlich auch Sache des gemeinen Lohnabhängigen. Wenn Sie daran etwas ändern wollen, werden Sie auch hier Proteste ernten. Schließlich hat die Kilometerpauschale viele Steuerzahler erst dazu motiviert, ins Grüne zu ziehen – im Vertrauen darauf, dass sich die Fahrerei rechnet. Egal, welches Privileg Sie streichen wollen: Immer treten Sie gewichtigen Wählergruppen auf die Füße. Also vermeiden Sie das.

5. Reden Sie über Gerechtigkeit.

Machen Sie sich Missstände zu Nutze, die jedem in die Augen springen. Aber lassen Sie um Himmels willen die Finger davon, Arbeitnehmer und Unternehmer generell gegeneinander auszuspielen. Reden Sie nicht darüber, dass das Steuervolumen auf Arbeitseinkommen in den letzten vier Jahren um 4,2 Prozent gestiegen, das auf Gewerbe- und Kapitaleinkünfte aber um 12,8 Prozent gesunken ist. Halten Sie sich lieber an das schöne Beispiel mit der Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne. Bei dieser rot-grünen Reform haben selbst die Manager nicht verstanden, warum der Steuersatz gleich auf Null sinken musste. Machen Sie es wie CDU-Fraktionschef Friedrich Merz – und kündigen Sie an, „zu einer moderaten Besteuerung zurückzukehren“.

6. Sagen Sie den weltweiten Steueroasen den Kampf an.

Damit beweisen Sie in Zeiten der Globalisierung auch internationale Kompetenz. Schließlich gehen den Finanzämtern jedes Jahr rund 15 Milliarden Euro durch Steuerflucht verloren. Und wenn das Steuerdumping so weitergeht – womit wollen Sie dann beim nächsten Mal Wahlkampf machen? Aber passen Sie auf, welche Staaten Sie anprangern. Um Liechtenstein, Monaco und Andorra werden Sie vermutlich nicht herumkommmen. Die Schweiz, Luxemburg und die britischen Kanalinseln wären zwar auch gute Beispiele – aber wollen Sie im Ernst die guten Beziehungen zu denen gefährden?

7. Halten Sie sich beim Kampf gegen Steuerhinterziehung lieber zurück.

Jeder „ehrliche Steuerzahler“ freut sich, wenn die großen Abzocker hinter Gitter kommen. Versprechen Sie also, mehr Fahnder einzusetzen. Erwägen Sie ganz vorsichtig die Abschaffung des Bankgeheimnisses. De facto ist es längst durchlöchert – es kostet Sie also nichts, mit dieser Forderung Entschlossenheit zu zeigen. Aneinanderrasseln werden Sie höchstens mit ein paar Bankern und der FDP. Aber machen Sie sich auf alle Fälle klar, dass der kleine Steuerbetrug längst Volkssport ist: ein bisschen schwarz arbeiten, das nicht vorhandene Arbeitszimmer absetzen, Vermögen formal an die Kinder übertragen. Wollen Sie es sich mit diesen kreativen Tricksern wirklich verderben?

8. Bringen Sie ruhig ein paar neue Steuern ins Spiel.

Wenn Sie ein bisschen Furore machen wollen, lassen Sie einen Testballon steigen. Denken Sie laut darüber nach, die Vermögenssteuer wieder zu erheben. Da ließen sich auch bei sehr vorsichtiger Besteuerung locker 4 bis 6 Milliarden Euro mehr einnehmen, die niemandem wirklich fehlen würden. Aber Vorsicht: Die gesellschaftliche Aktzeptanz von neuen Steuern hängt immer vom politischen Klima ab. Nehmen Sie lieber Abstand, wenn Sie keine hippe Gruppe finden, die Ihre Forderung unterstützt. Ohnehin glaubt jeder zweite, das Bundesverfassungsgericht habe die Vermögenssteuer 1995 als verfassungswidrig gekippt. Das stimmt zwar nicht, denn die Richter hatten damals nur die ungleiche Besteuerung von Immobilien- und Geldvermögen moniert und eine Angleichung gefordert. Aber darauf kommts im Wahlkampf ja nun wirklich nicht an.

9. Machen Sie sich bloß nicht zu viel Gedanken über die Finanzierung ihrer Ideen.

Sie kommen in Teufels Küche, wenn Sie anfangen zu rechnen. Fast alles, was Sie vorschlagen, kostet Geld. Und jede Gegenfinanzierungsmaßnahme wird Ihnen nur Scherereien mit den jeweiligen Lobbyverbänden einbringen. Am besten machen Sie es wie eigentlich alle großen Parteien. Behaupten Sie einfach, die Reform werde sich über kurz oder lang selber finanzieren. Schließlich kurbele sie die Konjunktur an. Das klingt einleuchtend, auch wenn es noch nie geklappt hat.