Kreislauf des schwarzen Geldes

Dubiose Währungs- und Aktiengeschäfte will keiner kontrollieren. Ein brisantes Buch über die Geldwäsche

Die Schweizer stellen sich nach außen gerne als Musterknaben dar, wenn es um die Geldwäschebekämpfung geht. Aber sobald es konkret wird, tun sie sich schwer mit allem, was damit zusammenhängt. So sind auch die Reaktionen eigenartig, wenn etwa kritische Bücher zu diesem Thema erscheinen, wie kürzlich jenes des Schweizer Wirtschaftsjournalisten Wolfgang Hafner mit dem Titel „Im Schatten der Derivate“, das direkt Auskunft über die Mechanismen bei Geldwäscherei und anderen schmutzigen Geschäften gibt. Aus der Sicht wichtiger Schweizer Bankiers hätte das Buch nie veröffentlicht werden dürfen. Sie befürchteten eine Imageschädigung des Bankenplatzes Schweiz. Das Buch beschreibt komplexe Methoden der Geldwäscherei sowie verschiedene Formen von Finanzmanipulationen und zeigt, dass sich diese Art von Geschäften längst in einem globalen Rahmen abspielt.

Das Buch hat nicht einen durchgehenden Helden, wie in angelsächsischen Sachbüchern häufig üblich. Es arbeitet mit verschiedenen mehr oder weniger ausführlichen Beispielen, bei denen die Finanzbehörden zumindest in Ansätzen etwas ermitteln konnten. Dadurch fehlt zwar etwas der rote Faden, doch werden die Themen verständlich dargestellt – ob nun Währungsspekulationen, die „Japanblase“ oder die Verstrickung der US-Präsidenten Clinton und Bush mit den von Derivaten profitierenden Teilen des Finanzmetiers.

Grundlage für das Buch bildete eine Studie von Wolfgang Hafner und Gian Trepp. Diese wurde vom Schweizerischen Nationalfonds finanziell unterstützt, was in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre noch möglich war, da der Finanzplatz Schweiz mit Blick auf seine Rolle im Zweiten Weltkrieg unter Druck geraten war. In dieser Not entstand ein Klima der Offenheit, das auch die Unterstützung einer kritischen Haltung gegenüber den globalisierten Finanzmärkten möglich machte.

Doch der Wind drehte sich schnell. Anlässlich der Buchvernissage in Zürich erzählte Wolfgang Hafner vom plötzlichen Gesinnungswandel in der Schweizer Finanz-Community. Schon wenige Monate nach der Überweisung des Nationalfonds-Stipendiums habe der Präsident der Tessiner Bankiervereinigung, Giorgio Ghiringhelli, einen Brief an die Präsidentin des Nationalfonds geschrieben und versucht, das Projekt zu torpedieren. Ghiringhelli vertrat darin die Ansicht, eine Untersuchung zum Thema Geldwäscherei mit Derivaten sei nicht opportun. Eine im Rahmen eines EU-Forschungsprojektes möglicherweise teilfinanzierte Folgestudie wurde verhindert.

Den Grund für die Opposition in Bankierskreisen wird schon aus dem Untertitel des Buches deutlich: „Die schmutzigen Geschäfte der Finanzelite mit der Geldwäsche“. Hafner beschreibt, dass von der Geldwäsche keineswegs nur Mafiosi oder al-Qaida-Terroristen profitieren. Vielmehr laufen die wirklich großen Summen – zum Beipiel zur Steuerersparnis – über renommierte internationale Banken. Und die Umsätze gehen in die Trillionen (!) Dollar pro Jahr. Welcher Banker hat schon ein Interesse, durch allzu rigide Kontrollen und penibles Aufzeichnen der Kontobewegungen vermögende Kundschaft zu vergraulen.

Im Ausland stießen die beiden Autoren auf mehr Interesse als zu Hause: Sie wurden von den amerikanischen Verantwortlichen für die Geldwäschereibekämpfung und auch von Vertretern der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds empfangen – wenn auch eher, um ihnen die Relevanz der Derivate im Kreislauf des schwarzen Geldes auszureden. Tatsächlich hat das nun erschienene Buch „Im Schatten der Derivate“ zumindest bei Experten einiges in Bewegung gesetzt. Der für diese Fragen zuständige Referatsleiter im Deutschen Bundesfinanzministerium, Michael Findeisen, meinte jedenfalls: „Mit Erscheinen dieses Buches muss die Bekämpfung der Geldwäsche mit Derivaten auf die Tagesordnung gesetzt werden.“ Allerdings tut sich diesbezüglich wenig. Nicht nur die Schweizer Banken halten ihr Bankgeheimnis hoch und weigern sich, Kunden mit allzu großen Auskunftmöglichkeiten zu verschrecken. Zur Not muss die Konkurrenz der Steuerparadiese als Ausrede herhalten, auch wenn diese ohne die internationalen Banken gar nicht funktionieren würden. Wer die gut 200 Seiten gelesen hat, weiß wenigstens, warum sich trotz dem 11. September nur langsam etwas ändert, warum kaum ein Verantwortlicher verurteilt wird und wer profitiert. REINER METZGER
MARC BADERTSCHER

Wolfgang Hafner: „Im Schatten der Derivate“. 224 Seiten, Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2002, 24,90 €