INTERNATIONALER DRUCK ZWINGT EXJUGOSLAWIEN ZUR KOOPERATION
: Koštunicas Besuch ist ein nützlicher Affront

Freunde sind der kroatische Präsident Stipe Mesić und sein Amtskollege Vojislav Koštunica aus der Föderation von Serbien und Montenegro zwar noch nicht. Zu unterschiedlich sind die beiden Persönlichkeiten. Während Mesić den Bruch mit der kriegerischen Vergangenheit radikal betrieben hat und in Kroatien Motor für demokratische Reformen ist, behindert Koštunica beides in seinem Land. Ihm hängt noch der Geruch der palanka, des dörflichen Biertischs, an.

Gerade deshalb ist er in Serbien populär. Dass also ausgerechnet der Nationalist Koštunica nach Sarajevo kommt, um bosnische und kroatische Spitzenpolitiker zu treffen, könnte als Affront gegen die Bevölkerung gewertet werden. Sein Besuch hilft jedoch mehr als andere, die Berührungsängste zwischen den Völkern abzubauen. Mit Koštunicas Besuch werden sich mehr Serben als bisher trauen, in das „muslimische“ Sarajevo zu fahren.

Aber seine Reise hat nicht nur symbolischen Gehalt: Bei den Verhandlungen in Sarajevo ging es um handfeste Details, die die Beziehungen zwischen den drei Staaten festigen werden. Im Vorfeld mussten sie sich in Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität sowie der Rückkehr der Vertriebenen einigen. Sie mussten, weil die internationale Gemeinschaft Druck ausübte. Das Zauberwort auf dem Balkan heißt jetzt „regionale Kooperation“. Wer sich darauf nicht einlässt, braucht auf eine Integration in die EU nicht zu hoffen.

Forderungen nach einer zollfreien Zone auf dem Balkan hatten vor allem kroatische Widerstände zu überwinden, wollten doch die Kroaten ohne den Ballast des Balkans direkt mit der Europäischen Union verhandeln. Bei der Verbesserung der Grenzüberwachung, um dem Frauen- und Schwarzmarkthandel entgegenzutreten und um Wege für Flüchtlinge aus Asien nach Westeuropa zu versperren, werden die Sicherheitsorgane aller Seiten auf die Probe gestellt. Die Staaten sind sogar gefordert, die Vertriebenen ins Arbeitsleben zu reintegrieren. Und bei der Rückkehr der Vertriebenen gibt es keine Ausreden mehr. ERICH RATHFELDER