Schröder versaut sich den Sommer

Mit dem Gegenkandidaten Edmund Stoiber kann es Gerhard Schröder aufnehmen – aber mit Ron Sommer? Das Manöver zur Ablösung des Telekom-Chefs gerät dem Kanzler zum Debakel. Ihm missglückt, was er sonst beherrscht: die Kunst des Effekts

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Für Gerhard Schröder bekommt das Wort Sommertheater dieses Jahr eine ganz neue Bedeutung – nicht nur weil es sich um den Telekom-Chef mit dem wortspielfreundlichen Namen dreht. Noch etwas ist anders als früher. Dass irgendein Hallodri immer wild um sich schlägt, wenn erst die Temperaturen nach oben klettern und die Hitze in den Kopf steigt, das ist ein Bundeskanzler gewöhnt. Doch diesmal hat kein SPD-Fraktionsvorsitzender einen radikalen Schnitt ins Steuersystem vorgeschlagen wie weiland Peter Struck, diesmal hat der Chef selbst gepatzt.

Mit seinem verqueren Versuch, Ron Sommer als Telekom-Boss abzulösen, hat sich der Kanzler auf ein Abenteuer eingelassen, das ihm gefährlicher werden kann als jedes Duell mit Edmund Stoiber.

Das liegt zunächst am Gegner, der auch gestern keine Anzeichen machte, freiwillig aufzugeben. Ron Sommer sucht, so streuten es seine Vertrauten übers Wochenende, tatsächlich die Auseinandersetzung Auge in Auge. An der für heute angesetzten Aufsichtsratssitzung will der Vorstandsvorsitzende selbst teilnehmen und jeden der 20 Herren am Tisch persönlich fragen, was sie ihm vorwerfen. Nur Gerhard Schröder wird um Sommers kalten Blick herumkommen – er ist kein Mitglied des Gremiums.

Von Verlierern hält der Immer-obenauf-Kanzler sich freilich auch außerhalb des Bonner Telekom-Towers fern. Schröder scheut seit längerem die direkte Begegnung mit dem einstigen Hätschelkind des Volksaktienbooms. So muss es Schröder auf Anhieb eingeleuchtet haben, dass Ron Sommer auszuwechseln alle Vorteile einer Kabinettsbildung versprach ohne die Nachteile: Neue Namen zeigen Tatkraft, befriedigen die Nörgler und bringen gute Presse. Außerdem lässt sich die Schuld am Versagen des Managers Sommer, anders als bei einem Minister, ganz leger auf die Weltwirtschaft abschieben – die Aktienkurse waren eben nicht danach.

Doch politische Enthauptungen, das war schon auf den Marktplätzen des Mittelalters so, leben vom schnellen Streich – sonst murrt das Publikum.

Schröders größter Fehler war also ausgerechnet das falsche Timing. Ob Holzmann-Rettung oder der Steuerreform-Coup – immer hat er im Stillen vorbereitet, was dann vor aller Augen glückte. Erst als er für Sommer keinen glanzvollen Nachfolger fand, geriet der Kanzler aus dem Tritt. Kurz gesagt: Nicht weil er etwas anders gemacht hat als sonst, sondern weil er es gemacht hat wie immer, sitzt er jetzt in der Patsche.

In Koalitionskreisen flucht unterdessen mancher leise, dass Schröder sich von Stoibers Provokation habe hinreißen lassen. Im Bild-Duell hatte der Kanzlerkandidat der kleinen Leute dem Sozialdemokraten vorgeworfen, er schere sich nicht um die Ersparnisse der Telekom-Aktionäre. Derselbe Stoiber werfe Schröder jetzt Einmischung in die Geschäfte der Telekom vor.

Der Kanzlerkandidat will natürlich von einer Mitschuld nichts wissen. Bei der Union heißt es heute kühl: „Herr Stoiber hat nie die Telekom angegriffen – er hat Herrn Schröder angegriffen.“ Der Kandidat selbst ist fürs Erste auf Goodwill-Visite ins benachbarte Ausland geflogen. Er wird derzeit zu Hause nicht gebraucht, finden selbst seine Wahlhelfer. Schließlich bringe sich der Kanzler gerade selbst und systematisch um jede Führungs- wie Wirtschaftskompetenz. „Warum sollen wir Schröder bei dieser Selbstdemontage im Wege stehen?“, höhnen CDU-Wahlkämpfer. Sie verfolgen das Treiben des Kanzlers aufmerksam – „und mit freundlicher Anteilnahme“.