Dör de Dör dör (Durch die Tür durch)
: Wie die Ostfriesenwitze entstanden

Marias Rache

Seit wann gibt es Ostfriesen? Seit Cäsar beim Übersetzen nach Britannien seine Kranken und Lahmen an der Küste zurückließ. Warum gibt es Ostfriesen? Weil irgendwann ein Affe eine Auster schwängerte. Warum fliegen die Möwen in Ostfriesland auf dem Rücken? Na, die Vögel können das Elend unter sich nicht sehen. Warum ist die Luft in Ostfriesland so sauber? Weil Ostfriesen nie ihre Fenster öffnen. Ha. Hrrr.

Wer saugt sich solchen Schwachsinn aus den Fußnägeln? Fragen wir Theo Schuster, den legendären Erfinder der plattdeutschen Sprechplatte, Buchhändler zu Leer, Ikone des regionalen Verlagswesens.

Schuster antwortet wie aus dem Euter geschossen: „Borwien Bandelow aus Westerstede hat die Ostfriesenwitze erfunden.“

Wer war Borwien Bandelow? Borwien Bandelow war Gymnasiast der Westersteder Schulanstalten. Als Redakteur einer dortigen unbedeutenden Schülerzeitung machte er sich den Jahrhunderte alten Hass zwischen Ostfriesen und Oldenburgern zu Nutze. Grund des Hasses: 1517 war Maria von Jever dem Grafen von Ostfriesland, Enno II., versprochen. Gut, der Mann war Alkoholiker, schlief sich durch alle Betten, intrigierte, meuchelte, paktierte mit Seeräubern. Jeder macht Fehler. Kurzum, Enno tat vieles, was er nicht hätte tun sollen. Die Jeveranerin Maria heiratete er jedenfalls nicht.

Die geistert der Legende nach noch heute durch ihr Schloss. Nicht aus Liebeskummer. Aus Rache!! Zuerst nahm sie sich einen Geliebten. Mit dem hatte sie viele Kinder. Die eigentliche Qualität des Herren aber bestand darin, Ostfriesen zu verhauen. Nach ihrem Tod vermachte Maria die kleine Stadt Jever, die eigentlich zu Ostfriesland gehörte, den Oldenburger Grafen. Die ostfriesische Version von Montezumas Rache.

Es ist absurd, aber wahr: Wangerooge ist eine ostfriesische Insel, aber hüten Sie sich einen Wangerooger mit „Hallo Ostfriese“ zu begrüßen. Das schadet ihrer Gesundheit. Die Insel gehört seit Maria zu Oldenburg.

Doch zurück zu Borwien Bandelow. In der Eigenschaft als Redakteur, besser: oldenburgischer Redakteur schrieb er unserer kleinen aber liebenswerten ostfriesischen Minderheit Schmäh an den Hals. In Oldenburg kasernierte Soldaten (!!!) und außerostfriesische Medien griffen die Schülerwitze auf: Wann merkt man, dass man in Ostfriesland ist? Wenn die Kühe schöner werden als die Frauen. Um den Sexismus auf die Spitze zu treiben: Warum schnappen ostfriesische Männer so gerne nach Fliegen? Damit sie einmal das Gefühl spüren, wenigstens etwas Gehirn im Leib zu haben.

Bitte, immerhin gründen sich andere Kulturkreise auf Esel, siehe Bremen (Bremer Stadtmusikanten, an erster Stelle stand ein Esel). Das Fernsehen berichtete damals. Die sogenannten Ostfriesenwitze waren geboren.

Während Ostfriesen gar nicht wissen, wo dieses Oldenburg überhaupt steht, werden sie seitdem von dort beschimpft und gedemütigt. Ostfriesen seien die Neandertaler der Bundesrepublik, schrieb 1971 sogar die Donauer Zeitung. Und das ist nun wirklich das Letzte: Bayern, die sich ein Urteil anmaßen über Ostfriesen!PS: Ein Missverständnis ist aufzuklären. Ostfriesische Polizeifahrzeuge haben zwei Löcher im Dach. Flegel behaupten, die Fahrer der Autos würden bei Alarm den Kopf aus dem einen Loch stecken und rufen: Lalü La La. Aus dem anderen Loch riefe dann der Beifahrer: Blaulicht, Blaulicht. Richtig ist: Der Ausruf Blaulicht ist in Ostfriesland unbekannt. Die Beifahrer rufen: Blinkfüür, Blinkfüür!

Thomas Schumacher