Ja zur Homoehe von höchstem Gericht?

Rot-Grün erwartet heute Zustimmung in Karlsruhe. Stoibers Expertin Reiche schwenkte vorher schnell auf Nein um

BERLIN taz ■ Das Hoffen ist ganz einträchtig, aber es speist sich aus verschiedenen Quellen: Rot und Grün wollen, dass ihr Gesetz höchstrichterlich für grundgesetzkonform erklärt wird; die Union möchte, dass die Karlsruher Verfassungsrichter in ihrem Sinne nein sagt.

Heute Vormittag wird das Kollegium der roten Roben erklären, was es von der Klage der unionsdominierten Länder Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen hält, das Gesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft als verfassungsbrüchig zu erklären.

Das Verfahren wurde gleich nach Verabschiedung des Gesetzes im Frühwinter 2000 beschlossen – weil, so die klagenden Länder, die Homoehe, also die weitgehende Gleichstellung schwuler und lesbischer Partnerschaften mit der (heterosexuellen) Ehe Art. 6 Grundgesetz verletze, der Ehe und Familie als privilegierte Lebensformen definiert. Rot-Grün argumentiert, die Lebenspartnerschaft sei ein eigenes familienrechtliches Institut, das nur dazu diene, homosexuelle Partnerschaft aus der Illegalität und institutionellen Ungeschütztheit zu holen.

Inzwischen bestreitet selbst Kanzlerkandidat Edmund Stoiber nicht mehr, dass es für homosexuelle Paare rechtliche Verbesserungen geben müsse – ohne jedoch zu respektieren, dass es vor dem rot-grünen Reformwerk gar keine Gesetze für sie gab. Katherina Reiche, Stoibers Familienexpertin im so genannten Kompetenzteam, hat unterdessen ihre flapsigen, durchaus unionsnonkonformen Äußerungen zu Rechten für homosexuelle Paare heftig revidiert. In einem Interview mit der Berliner Zeitung stritt die wegen ihrer Nichtverheiratetheit vom katholischen Klerus gescholtene Mutter (und Lebensgefährtin eines brandenburgischen Politikers) gestern für die Ehe, der „Gott die Bindungskraft“ gebe.

Reiche hat sich offenkundig binnen weniger Tage vom rechtskonservativen Mainstream der Union inhaltlich gegen den eigenen Strich bürsten lassen – was auf ihre politischen Ambitionen nach der Bundestagswahl einen Hinweis geben mag. Die Homoehe jedenfalls wolle sie auf keinen Fall unterstützen, denn mit ihr würde die klassische Ehe entwertet.

Rot-Grün kalkuliert im Übrigen mit einem positiven Bescheid aus Karlsruhe – und zugleich mit Kritik an Gesetzesformulierungen, denn noch wird eine Lebenspartnerschaft durch eine Eheschließung automatisch aufgehoben. In dieser Hinsicht, so Margot von Renesse (SPD), würde das Gericht die lustlose Arbeit der Ministerialbürokratie gewiss und zu Recht aufs Korn nehmen. JAN FEDDERSEN