Dealer, Doper, Dilettanten

Um Doping erfolgreich zu bekämpfen, müssen Sportler aller Disziplinen regelmäßig untersucht werden. Dafür braucht die neue deutsche Anti-Doping-Agentur viel mehr Geld

Man könnte Wettkämpfe in Hormis und Normis aufteilen. Geld für Kontrollen könnte man so sparen.

„Nada“ ist Spanisch und heißt „nichts“. Besonders viel versprechend klingt das nicht, wenn man eine Behörde so nennt. Dennoch soll die „Nada“, die neue Nationale Anti-Doping-Agentur, viel erreichen: Vermehrte Wettkampf- und Trainingskontrollen sowie umfassende Aufklärung über die Folgen des Dopingmissbrauchs stehen auf dem Plan. „Größer, professioneller, effektiver“ als ihre Vorgängerin, die Anti-Doping-Kommission, wird sie arbeiten, verspricht zumindest deren letzter Vorsitzender, Ulrich Haas. Attribute, die an den Akkord „Höher, schneller, weiter“ erinnern, den Spitzensportler gerne durch die Einnahme leistungssteigernder Substanzen noch schöner klingen lassen wollen. Im Kampf gegen einen verseuchten Leistungssport kann aber auch die Nada keine Wunder vollbringen. Mit ihrem geringen Etat wird sie es nicht schaffen, den eisernen Willen zur Körpermodulation zu brechen.

Ursprünglich war von 30 Millionen Euro Stiftungskapital die Rede. Jetzt investieren die Bundesregierung und die Länder lediglich 6,1 Millionen Euro. Bevor die Arbeit der Nada jedoch erfolgreich sein kann, braucht sie weitere Zuschüsse aus der Wirtschaft. Von rund achtzig Unternehmen, die Innenminister Schily und Sportbundchef von Richthofen um Unterstützung gebeten haben, beteiligen sich einzig die Deutsche Bank und die Telekom mit je 50.000 Euro pro Jahr. Was einerseits löblich ist, beweist andererseits, wie die Prioritäten gesetzt werden: Für ihren Radrennstall hat die Telekom immerhin 6 Millionen Euro im Jahr übrig. Gerade an diesen Summen lässt sich das Problem des Sports festmachen, das mit Sicherheit oft für Dopingfälle mitverantwortlich ist: Hohe Anforderungen des Sponsors kann ein Athlet aus eigener Kraft oftmals nicht erfüllen. Leicht erliegt er der Versuchung, sich mit unerlaubten Mitteln zu stärken, um dem Druck standzuhalten. Am Beispiel Jan Ullrich heißt das: Wenn er nicht wegen des Frusts über seine Verletzung die Amphetamine eingenommen hätte, hätte er wohl auf sie zurückgegriffen, wenn er bei einer Teilnahme an der Tour de France wieder hinter Lance Armstrong herfahren würde.

Ob die Nada mit ihrem derzeitigen Etat endlich mehr unangemeldete Trainingskontrollen durchführen kann, ist fraglich. Denn: Dopingtests sind teuer – die beiden deutschen Dopinglabore in Köln und Kreischa klagen schon lange und zu Recht darüber, dass ihnen nicht genug Geld zur Verfügung gestellt wird. Diese Finanzengpässe führen unter anderem zu der absurden Situation, dass den Laboren die Mittel fehlen, um das sehr populäre Blutdoping nachzuweisen. Damit hat etwa im Frühjahr der Olympiasieger im Skilanglauf, Johann Mühlegg, seiner Leistung auf die Sprünge geholfen.

Um Blutdoping zu entdecken, müssen Sportler gerade in Trainingsphasen untersucht werden, denn entsprechende Mittel wie Epo bauen sich sehr schnell wieder ab. Wenn ein Doper sich klüger anstellt als Mühlegg und die Präparate rechtzeitig absetzt, kann ihm nichts passieren. Beim Test vor einem Wettkampf erscheint er dann clean.

Wegen solch prominenter Doper wird hierzulande in regelmäßigen Abständen heftig über das Problem diskutiert – und immer wieder die Forderung nach einem Anti-Doping-Gesetz laut. Passiert ist nichts. Dabei können nach bislang gültigem Recht – dem Arznei- und Betäubungsmittelgesetz – bloß die Dealer von Dopingmitteln, nicht aber die schluckenden oder gespritzten Sportler angezeigt werden. Das sich Gedopte Wettbewerbsvorteile gegenüber sauberen Sportlern verschaffen, muss jedoch bestraft werden. Die Festschreibung von Doping als Straftatbestand wäre daher ein wirkungsvolles Instrument. Aber auch ein solches Gesetz würde keineswegs alle betrugswilligen Sportler vom Griff zum chemischen Leistungssteigerer abhalten. Zudem besteht durchaus die Gefahr, den Sport als solchen – und damit auch die dopingfreien Athleten – zu kriminalisieren, wenn die Polizei ständig zu Razzien wie beim Giro d’Italia (Italien hat ein Anti-Doping-Gesetz) ausrückte oder möglicherweise in den Kabinen der Fußball-Bundesligisten aufkreuzte.

Dem weltweiten Kampf gegen Doping dient es sicher nicht, dass einige Nationen streng, andere vergleichsweise lax mit Sportsündern umgehen. Schließlich werden Kräfte international gemessen. Hier ist auch die Wada, die Welt-Anti-Doping-Agentur, gefragt. Die Anti-Doping-Methoden müssten vereinheitlicht und – nicht weniger wichtig – die Dopingkontrollen endlich auf alle Sportarten ausgeweitet werden: So hat der Veranstalter der internationalen Tennisturniere für Männer (ATP) ganze 50 Trainingskontrollen im letzten Jahr gemeldet, bei den Frauen hat der Tourorganisator WTA großzügigerweise vollständig auf Kontrollen verzichtet. Die Ankündigung der Verbände, TennisspielerInnen künftig verstärkt zu kontrollieren, verdarb Weltklasse-Damen wie Venus Williams und Jennifer Capriati die Laune. Könnte sich der weiße Sport als gar nicht so sauber herausstellen?

Effektiver jedoch als sämtliche Kontrollen und Gesetze wäre es, wenn die Sportler von sich aus auf verbotene Substanzen verzichten würden. Dann müssten sie keinen olympischen Meineid mehr schwören und könnten wunderbar für die nächste Fair-Play-Kampagne des DSB werben. Diese Vision der Nada verbirgt sich hinter den Stichwörtern „Aufklärung und Prävention“ – und dürfte leider noch sehr lange auf ihre Verwirklichung warten. Schließlich verzichtet ein Raucher nicht auf seine Zigaretten, nur weil er fürchtet, dass er Lungenkrebs bekommen könnte. Die meisten Leistungssportler wissen, dass sie durch die Einnahme von Anabolika ihrer Leber schaden, zugleich aber ihre Chancen auf eine Medaille erhöhen – der Rest ist eben Berufsrisiko.

Die Festschreibung von Doping als Straftatbestand wäreein wirkungsvollesInstrument

Bei den Profis kommt man mit Aufklärung erfahrungsgemäß nicht weiter. Beim Breitensport hingegen ist sie wirklich nötig. Man rechnet in Deutschland mit rund 200.000 Freizeitdopern, die in Fitnessstudios mit Drinks und Pülverchen ihre Muskeln füttern. Die meisten ahnen nicht, dass sie damit ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Der Markt mit diesen Prohormonen floriert – im Internet, in Duty-Free-Läden, in Muckibuden. Hier ist es höchste Zeit für eine intensive Informationskampagne. Wer danach in vollem Bewusstsein der Konsequenzen weiter schluckt, ist selbst schuld. Nur seine Kräfte mit anderen messen, das sollte er fairerweise unterlassen. Außer man denkt doch noch einmal über den ironischen Vorschlag der ehemaligen Leichtathletin und Anti-Doping-Aktivistin Brigitte Berendonk nach: Man könne Wettkämpfe in Hormis und Normis aufteilen. Ein wahnwitziger Gedanke. Aber immerhin: Das Geld für die Kontrollen könnte gespart werden, der hoffnungslos scheinende Kampf gegen immer neue Dopingtricks hätte ein Ende.

Bis es so weit ist, gilt jedoch: Genauso wenig wie in der Wirtschaft gibt es im hochkommerziellen Leistungssport ein freies Spiel der Kräfte. JUTTA HEESS