Die IRA bittet um Verzeihung

Zum 30. Jahrestag des „Bloody Friday“ entschuldigt sich die IRA für das Leid, das sie während ihres Kampfes Zivilisten zufügte, und erkennt auch den Schmerz der Angehörigen von Kombattanten an. Die Reaktionen sind positiv bis ablehnend

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) hat eingeräumt, dass sie in der Vergangenheit Fehler gemacht und „Nicht-Kombattanten“ getötet habe. „Wir entschuldigen uns und sprechen den Familien unser Beileid aus“, heißt es in einer Erklärung vom Dienstag. „Eine Konfliktlösung erfordert die gegenseitige Anerkennung der Trauer und des Verlusts von anderen. Die IRA setzt sich entschieden für die Suche nach Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in Irland ein. Dazu gehört es, Fehler in der Vergangenheit einzugestehen und anzuerkennen, dass wir anderen Schmerzen zugefügt haben.“ Die Erklärung war wie üblich mit „P. O’Neill“ unterzeichnet.

Die IRA hat im Laufe des Konflikts, der Ende der 60er-Jahre ausbrach, fast 1.800 Menschen getötet, davon 650 Zivilisten. Anlass der Entschuldigung ist der bevorstehende 30. Jahrestag einer Serie von Anschlägen, bei der weite Teile der nordirischen Hauptstadt Belfast verwüstet wurden. An jenem 21. Juli 1972 („Blutiger Freitag“) zündete die IRA in eineinhalb Stunden 20 Bomben in Hotels, Kneipen, an Brücken, in Tankstellen und Einkaufszentren. Neun Menschen starben, darunter zwei britische Soldaten. Mehr als 130 Menschen wurden verletzt.

Die IRA sagt, sie habe nie absichtlich Zivilisten getötet. Die Entschuldigung bezieht sich ausdrücklich auf deren Familien, aber die IRA erkennt an, dass es auch „Trauer und Schmerz bei den Familien der Kombattanten auf allen Seiten“ gegeben habe.

Der irische Außenminister Brian Cowen begrüßte die IRA-Erklärung. „Wir müssen jetzt unsere Anstrengungen verdoppeln“, sagte er, „damit alle Bevölkerungsteile darauf vertrauen können, dass Nordirland auf einem nicht umkehrbaren Weg zum Frieden und zu ausschließlich demokratischer Politik ist.“ Auch die katholischen Sozialdemokraten und die kleine Alliance Party äußerten sich positiv. Die britische Regierung erfuhr von der Erklärung erst unmittelbar vor ihrer Veröffentlichung. Nordirlandminister John Reid sagte, die Entschuldigung könne helfen, dass skeptische Unionisten Vertrauen in den Waffenstillstand der IRA fassen.

Davon war gestern noch nichts zu spüren. Pfarrer Ian Paisley, Chef der extremistischen Democratic Unionist Party, wies die IRA-Erklärung als „zynisch“ zurück. Friedensnobelpreisträger David Trimble von der Ulster Unionist Party kritisierte: „Es ist bedeutsam, dass die Erklärung nichts über die derzeitige Gewalt der IRA und ihr künftiges Verhalten enthält.“

Die Unionisten werfen der IRA vor, seit einem Jahr fast jede Nacht Straßenschlachten anzuzetteln und Drogenhändler zu ermorden. Auch verweisen sie auf drei mutmaßliche IRA-Angehörige, die kolumbianische Farc-Guerilleros im Bombenbau ausgebildet haben sollen. Trimble verlangt deshalb vom britischen Premier Tony Blair, den politischen Flügel der IRA, Sinn Féin („Wir selbst“), aus der nordirischen Mehrparteienregierung zu entfernen. Blair will nächste Woche genauer definieren, was als Bruch der Waffenruhe gilt.

Trimble, der parteiintern unter Druck ist, sagte: „Wenn die britische Regierung die IRA-Erklärung als Ausrede benutzt, um sich aus ihrer Pflicht zu stehlen, schafft sie damit eine sehr gefährliche Situation.“ Bleibt Sinn Féin in der Regierung, tritt Trimble wohl zurück oder wird von seiner Partei abgewählt.