Automarkt befreit

EU-Kommission schränkt Privilegien der Autoindustrie ein: Vertriebsstrukturen dürfen nicht mehr exklusiv sein

BRÜSSEL taz ■ Weniger Macht den Autoherstellern, mehr Rechte für Autohändler und -käufer: Das ist das Ziel der Reform, die Wettbewerbskommissar Mario Monti gestern in Brüssel vorstellte. Die EU-Kommission schränkt damit ein altes Privileg der Automobilindustrie ein.

Bislang dürfen DaimlerChrysler, Volkswagen, Fiat und Co. den Autohändlern die Vertriebsbedingungen diktieren. Ein Privileg, das der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) noch im Februar verteidigt hatte. Vergebens. Mit ihrem Beschluss gibt die Kommission den Autoproduzenten zwar viel Zeit für die Umstellung, bleibt aber dabei: Die Automobilhersteller sollen sich dem Wettbewerb beugen. So dürfen sich die Händler künftig nicht mehr auf den Verkauf einer Marke beschränken. Der Kunde kann die Modelle verschiedener Hersteller in einem Autohaus vergleichen.

Außerdem müssen die Autohändler keinen eigenen Reparaturservice mehr anbieten, sondern können die Werkstatt auslagern. Unabhängige Werkstätten müssen als offizielle Wartungsunternehmen anerkannt werden, wenn sie die Qualitätskriterien der Hersteller erfüllen. Sie erhalten ein Recht auf Einblick in Unterlagen der einzelnen Modelle und Zugang zu den Ersatzteilen. Davon erhofft sich die Kommission niedrigere Wartungskosten. Diese Regelungen müssen spätestens zum 1. Oktober 2003 umgesetzt sein.

Besonders umstritten ist die Aufhebung des so genannten Gebietsschutzes. Bislang mussten Autohändler ihren Vertrieb auf ein bestimmtes Terrain beschränken. Das führte zu erheblichen Preisunterschieden zwischen den EU-Mitgliedsstaaten – bestimmte Modelle sind in Deutschland um bis zu 35 Prozent teurer als etwa in Portugal. Künftig sollen Autohändler in der ganzen EU werben und Filialen eröffnen dürfen – allerdings erst nach einer dreijährigen Übergangsfrist ab Oktober 2005.

Exklusive Vertriebsgebiete werden allerdings auch danach nicht komplett ausgeschlossen. Die Autohersteller können zwischen zwei Optionen wählen: Wenn sie exklusive Vertriebsgebiete behalten wollen, müssen sie zulassen, dass die Händler ihre Wagen an andere Verkäufer weitergeben. Im Prinzip kämen dafür auch Supermärkte oder Internethändler in Frage. Da die Hersteller aber Kriterien für den Verkauf aufstellen können, wird das absehbar kaum passieren.

Die zweite Variante: Die Autohersteller geben ihre Autos weiterhin nur an ihre Vertragshändler ab, verzichten aber dafür ab 2005 auf exklusive Verbreitungsgebiete. Dann könnten zum Beispiel Händler aus Dänemark ihren norddeutschen Kollegen Konkurrenz machen.

BARBARA SCHÄDER