Fingierte Notlage

Glücksspielsüchtiger erschwindelte Geld von Passanten und bekommt jetzt Knast statt Therapie

Sie haben ihm Leid getan, die Leute, die auf ihn reingefallen sind. Die ihm glaubten, dass er in einer Notlage sei, und das geliehene Geld nie zurückbekommen sollten. Trotzdem ist er am nächsten Tag wieder losgezogen und hat noch anderen Passanten auf der Straße seine Geschichte aufgetischt, „auf dreiste Art hilfsbereiten Bürgern Geld abgenommen“, wie das Gericht sagt. Denn Sascha J. ist glücksspielsüchtig und brauchte jeden Tag mehrere hundert Mark. Das Amtsgericht verurteilte ihn gestern wegen gewerbsmäßigen Betruges in 44 Fällen zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten.

Seine Geschichte war fast immer dieselbe: Der Geldautomat habe wegen eines Risses im Magnetstreifen seine EC-Karte eingezogen, erzählte Sascha J., nun brauche er Geld, um eine Bahnkarte zu kaufen und heimzufahren. Zwischen 200 und 300 Euro bekam er dafür, eine Frau gab ihm gar 750 Mark. Um seine Seriösität zu beweisen, hatte J. den Passanten seinen Pass gezeigt. Der Name stimmte, die Adresse nicht. Ende März ging er zur Polizei und stellte sich. „Ich will reinen Tisch machen.“

Schon einmal hat J. in Haft gesessen. Als er im vorigen Frühjahr entlassen wurde, stand er vor demselben Problem wie zuvor. Im Gefängnis hatte er sich um eine Therapie beworben, die wurde abgelehnt, denn Spielsucht war medizinisch nicht anerkannt. Inzwischen ist es in Einzelfällen zwar möglich, eine Therapie finanziert zu bekommen. J. aber wurde das auch ein zweites Mal verwehrt, als er nun aus der U-Haft heraus einen Antrag stellte. Denn das würden viele Gefangene nur tun, wurde ihm erwidert, um sich vor dem Gefängnis zu drücken.

Wäre Sascha J. rauschmittelabhängig, hätte das Gericht auf „Therapie statt Strafe“ befinden können. So aber muss er seine Haftstrafe absitzen – und sich dann erneut um eine Therapie bemühen. EE