Was geht?

HfK-StudentInnen machen aus Menottis „Das Medium“ eine Comic-Oper in Schwarz/Weiß

„Das Tollste ist, dass auch die irrsten Ideen komplett realisiert werden konnten.“ Renato Grünig, Schauspieler und Shakespeare Companist seit frühester Stunde, ist ganz begeister, als er wenige Stunden vor der Premiere von Gian Carlo Menottis 1947 am Broadway uraufgeführten Kammeroper „Das Medium“ spricht. Aber er wirkt auch ein wenig abgekämpft; mit Studierenden zu arbeiten, ist eben doch was anderes als mit einem vertrauten Ensemble ein weiteres Stück zu produzieren. Noch dazu, wenn der Nachwuchs aus verschiedenen Kunstsparten stammt und von unterschiedlichen Lehrenden geprägt wurde.

Aber es gibt auch Vorteile. „Bestimmte Dinge könnte man an einem normalen Opernhaus so gar nicht zu Stande bringen“, meint Grünig, der mit dieser Produktion ein Semester Gastprofessur an der HfK abschließt. „Ich möchte nicht mehr wissen, was nicht geht, mich interessiert nur noch, was geht.“ Da kommen die motivierten JungkünstlerInnen gerade Recht. Diese „Art von Naivität“, mit der sie sich ans Werk machten, möchte er als Lob verstanden wissen. Und meint nicht nur die „irrsten Ideen“, sondern auch die Begeisterung, mit der die vergangenen Tage und Nächte geprobt, geschraubt, und gehämmert wurde.

Nun könnte man auf die Idee kommen, das Titel gebende „Medium“ verheiße Reflexionen über den interdisziplinären Zugang zur Produktion. Dem ist nicht so. Das Medium meint, ganz klassisch eine Frau, Flora mit Namen, die Séancen abhält, um unglücklichen Eltern Kontakt zu ihren früh verblichenen Kindern zuvermitteln. Gegen nicht zu geringes Entgelt, selbstverständlich.

Menotti, Jahrgang 1911, wohnte im Wien der 30-er einer solchen Séance bei und war so begeistert, dass er flugs ein Libretto hinzauberte. In zwei Akten erzählt er, wie die lukrative Einnahmequelle, das Spiel mit dem Übersinnlichen, sich gegen das vermeintliche Medium richtet. Bei einer Sitzung meint Flora, von einer kalten Hand berührt worden zu sein – und kommt mit dieser unerwarteten Wendung gar nicht klar.

Fünf Studentinnen haben – mit Unterstützung der Bühnen- und Kostümbildnerinnen Katja Jürgens und Heike Neugebauer, sowie des Professors für freie Kunst Peter W. Schäfer – eine eigenwillige Ausstattung fabriziert. Komplett in Schwarzweiß gehalten, entsteht eine Mischung aus Comic- und Stummfilmästhetik, die spielerisch und inszenatorisch leider nicht gänzlich ausgenutzt wird. Die Idee, den raschen Zeitsprung – exakt eine Woche Paranoidwerden liegt zwischen den beiden Akten – comicartig zu denken, geht zwar auf, und auch der Versuch, die ‚bewegte‘ Zweidimensionalität von Zeichnungen auf den dreidimensionalen Bühnenraum zu übertragen, hat etwas für sich. Nur bringt dies Menottis expressionistisches bis collagenhaftes Drama um die zerklüftete Psyche erzählerisch nicht wirklich von der Stelle. Gerade das Erzählen wäre spannend gewesen, hat Grünig doch nicht mit einer Schauspiel-, sondern mit einer Opernklasse an der szenischen Darstellung gearbeitet.

Sei‘s drum. Wie Grünig richtig sagt, ist das, was an diesem Abend zu sehen ist, „der gegenwärtige Stand“. Und der kann sich sehen lassen. Niemand soll von diesen MusikerInnen, SängerInnen und AusstatterInnen erwarten, so zu arbeiten, als seien sie schon Jahrzehnte im Geschäft. Aber auch der „gegenwärtige Stand“ kann sich durchaus sehen lassen. Das vierzehnköpfige Ensemble spielt sich unter Leitung Rida Murtadas souverän durch die mitunter etwas schablonenhaft wirkende Partitur Menottis. Die fünf SängerInnen wissen mit den abrupten Tempiwechseln genauso etwas anzufangen wie sie ein Gespür für das Timing von Gesang und Darstellung zeigen.

Manchmal wirkt das fast wie ein guter Stummfilm, den die Musik vorantreibt. Alles in allem ein beachtliches Kooperationsprojekt, dem weitere gerne folgen dürfen. Der „glückliche Prozess“, von dem Grünig spricht, „bei dem das gemeinsame Fantasieren nicht Eitelkeiten weichen muss“, verrät schließlich mehr als nur ein bisschen Talent.

Tim Schomacker

noch am 19. und 21. Juli um 19.30 Uhr im Theater am Leibnizplatz. Karten ☎ (0421) 30 19 221