berliner szenen Ankauf am Ende der Welt

Durchgeknallt

So stellt man sich das Ende der Welt vor: ein Trödelladen ohne feste Öffnungszeiten, irgendeine von „Brumm & Rott Real Estate“ notverwaltete Bruchbude und zuletzt ein Bauzaun mitten im Weg – „Fertigstellung der Brücke voraussichtlich 2003!“. Dahinter kommt erstmal nichts. Dann irgendwann der Wedding.

Das diesseitige Ende Ende der Welt liegt im Prenzlauer Berg. Wenn ein Auto bis hierher gekommen ist und auf dem staubigen Schotter kehrt macht, bietet sich ein Schauspiel der besonderen Art. Zwischen aufgestapelten Kantsteinen, Gehwegplatten und Wasserrohren lauern drei mythisch aussehende Typen. In der Mitte ein muskulöser, stoppelbärtiger Rentner mit Sonnenbrille. Rechts und links neben ihm zwei hagere Helfershelfer mit abgewetzten Schirmmützen. Im Angesicht des Vorbeifahrenden springt der linke Mützenmann hastig auf und winkt wie ein Schiffbrüchiger auf einer einsamen Insel. Um seinen Hals baumelt ein selbst bemaltes Pappschild: „TV! Hifi! Defekt! Kaufe!“

Diesen schwankenden Gestalten habe ich gestern meinen alten VEB-Robotron-Fernseher überlassen. Für zehn Mark hatte ich das Ding mal auf irgendeinem Flohmarkt geschossen. Der Ton funktionierte, das Bild meistens nicht. Bis ein Medizinstudent aus Westdeutschland, den ich gerade beherbergte, den Kasten bei laufendem Betrieb repariert hat. Das war während der WM-Endrunde. Sehr lange hat die Not-OP nicht vorgehalten: Letzten Sonntag beim Tatort fing der Apparat fürchterlich an zu qualmen. Jetzt weiß ich nicht mal, wer der Mörder war. Fast hätte ich die mythischen Typen um Auskunft gebeten. Dann dachte ich mir: Vielleicht doch 'ne eher unpassende Frage an Leute, die am Ende der Welt durchgeknallte Mattscheiben sammeln. ANSGAR WARNER