Ratlos nach neuen Anschlägen

Der israelische Verteidigungsminister nimmt Reiseerleichterungen für Jericho und den Gaza-Streifen wieder zurück. Selbstmordattentäter töten drei Menschen in Tel Aviv. Bush sieht Zusammenhang mit Nahostgesprächen in New York

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

„Hat noch irgendjemand eine Idee?“, fragt der Kommandant in einer Karikatur der gestrigen Ausgabe der israelischen Tageszeitung Ha’aretz seine Soldaten, die, als hörten sie seine Frage nicht, so tun, als seien sie mit anderen Dingen beschäftigt. Der Zeichner des liberalen Blattes entlarvt die Ratlosigkeit der Armee. Weder gezielte Raketenangriffe noch Massenbombardierungen oder wochenlange Ausgangssperren für hunderttausende von Palästinensern bieten Lösungen für die andauernde Terrorgefahr. Immerhin, so behauptet ein Regierungssprecher, könnten 90 Prozent der versuchten Attentate verhindert werden. Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser legte unterdessen seinen Plan, in ruhigen Regionen die Reise- und Arbeitsmöglichkeiten für die Bevölkerung zu erleichtern, auf Eis.

Für einige tausend Palästinenser vor allem aus dem Gaza-Streifen und Jericho, die sich kurzfristig einer Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im israelischen Kernland erfreuen konnten, sind die Kontrollpunkte seit Mittwochabend erneut geschlossen, nachdem am Vortag acht jüdische Siedler bei einem Doppelattentat auf einen Bus im Westjordanland starben. Das erste Attentat in Israel seit über drei Wochen folgte am Mittwochabend an der alten zentralen Bushaltestelle in Tel Aviv. Drei Zivilisten, davon zwei ausländische Arbeitnehmer, sowie die beiden Selbstmordattentäter des Islamischen Dschihad starben bei den Bombenexplosionen. Einen Abzug der Truppen aus den palästinensischen Städten, den UN-Generalsekretär Kofi Annan diese Woche forderte, hält Ben-Elieser derzeit für ausgeschlossen.

US-Präsident George W. Bush glaubt, dass der Anschlag in Zusammenhang mit der neuen Friedensinitiative der UN, Russlands, der EU und den USA zu sehen ist. Das Attentat sei „ein Angriff auf unsere Anstrengungen, den Palästinensern neue Hoffnung zu geben“, erklärte er und verlangte einenFührungswechsel im Autonomiegebiet.

Die beiden Anschläge werden auch die vor kurzem von Israels Außenminister Schimon Peres zu Vertretern der palästinensischen Führung aufgenommenen Kontakte vorerst wieder abkühlen lassen. Die israelische Regierung macht Palästinenserführer Jassir Arafat verantwortlich, obschon die Autonomiebehörde die Anschläge verurteilte.

Nicht zum ersten Mal unternimmt Israel Anstrengungen, die palästinensische Bevölkerung, die sich ruhig verhält, mit wirtschaftlichen Erleichterungen „zu belohnen“, während gleichzeitig harte Maßnahmen gegen die „friedensunwilligen“ Palästinenser unternommen werden. Und nicht zum ersten Mal scheitert die Regierung damit, obschon diesmal die Angreifer nicht aus den vom Verteidigungsminister für eine „Erleichterung der Bedingungen“ vorgesehenen Regionen Jericho und Gaza stammten. Der in Aussicht gestellten Öffnung des Industrieparks am Kontrollpunkt Eres zwischen Israel und dem Gaza-Streifen stünde auch nach den jüngsten Anschlägen nichts im Wege. Die Produktionsstätten befinden sich ohne Ausnahme auf palästinensischem Gebiet. In vier besetzten Städten im Westjordanland wurde die Ausgangssperre dagegen gestern für zwölf Stunden aufgehoben.

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