Streit um „Mehmet“-Urteil

Union fordert neue Gesetze, um inländische Jugendstraftäter ohne deutschen Pass leichter abschieben zu können. Möglicher Koalitionspartner FDP spielt da nicht mit

BERLIN taz ■ Das „Mehmet“-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat einen politischen Streit über den Umgang mit Jugendlichen ohne deutschen Pass ausgelöst. Die Union will nach einem Wahlsieg schärfere Gesetze durchdrücken, um minderjährige Straftäter leichter abschieben zu können. „Mehmets“ Rückkehr mache „jeden ehrlichen Bürger zornig“, sagte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer der Bild-Zeitung.

Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, der als Münchner Kreisverwaltungsreferent 1998 die Ausweisung des damals 14-jährigen „Mehmet“ vorangetrieben hatte, sagte der taz, die Union wolle eine Gesetzesänderung „in der nächsten Legislaturperiode angehen“. Schwierigkeiten dürfte die Union dabei allerdings mit dem potenziellen Koalitionspartner, der FDP haben. Deren rechtspolitischer Sprecher Rainer Funke hält das Urteil für „hundertprozentig korrekt“ und kritisiert die „Urteilsschelte“ des bayerischen Innenministers Günter Beckstein (CSU): „So kann man als möglicher zukünftiger Bundesinnenminister nicht mit dem Bundesverwaltungsgericht umgehen.“ Beckstein hatte die höchstrichterliche Entscheidung als eine „Zurücksetzung des Schutzes der Bevölkerung“ bezeichnet.

„Dumpfen Populismus“ warf Volker Beck der Union vor. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen betonte, „Abschiebung kann kein Mittel sein“, um „Mehmet“ zu bestrafen. So steht es auch im aktuellen Wahlprogramm der Grünen, die eine doppelte Bestrafung von in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Straftätern „vermeiden“ wollen. Im neuen Zuwanderungsgesetz ist allerdings kein Ausweisungsschutz für Deutsche mit ausländischem Pass verankert. Das Gesetzespaket noch einmal aufschnüren wollten die Grünen aber nicht, „bevor die Druckerschwärze trocken ist“, sagte Beck. Es sei „eine Sache, zu sagen, was man für richtig hält, eine andere, was die Mehrheitsverhältnisse zulassen“.

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) sagte dem Mannheimer Morgen, das Urteil zeige: „Eigene Versäumnisse bei hier aufgewachsenen Migrantenkindern durch Ausweisung zu kaschieren, das geht nicht.“

Das ist allerdings nur die eine Seite des „Mehmet“-Urteils. Seiner Entscheidung, „Mehmet“ wieder nach Deutschland zurückkehren zu lassen, hat das Gericht zwar die starke Stellung von „faktischen Inländern“ zu Grunde gelegt. Gleichzeitig ließen die Richter aber außer Zweifel, dass allein die Schwere der Straftat entscheidet, ob Minderjährige mit ausländischem Pass ausgewiesen werden dürfen oder nicht. In „Mehmets“ Fall weise „die einzige im strafmündigen Alter begangene Straftat nicht die erforderliche besondere Schwere auf“.

„Mehmet“ sollte, wenn er in seine Heimat zurückkehrt, besser keine Straftat mehr begehen. Der heute 18-Jährige könnte andernfalls sofort wieder in die Türkei abgeschoben werden.

SEBASTIAN SEDLMAYR

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