sommerkrimi

Folge 1

Editorische Notiz: Die folgende Handlung sowie alle handelnden Personen sind Fiktion. Darauf hinzuweisen ist deshalb wichtig, weil Teile des Romans eine große Nähe zu tatsächlich Erlebtem haben.

Vorwort:

„Kann man nach Auschwitz noch Cello spielen?“, fragte Theodor W. Adorno auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges. Ohne die beiden grundverschiedenen Ereignisse unzulässig miteinander verquirlen zu wollen –kann man es denn nach dem 11. September? Kann man munter weiter Musik machen, während das, was wir Globalisierung nennen, nahezu ein Drittel dieser Welt afghanisiert, es immer rasanter in eine hoffnungslose Verelendung treibt? Kann man all seine Energie etwa in ein Streichquartett investieren, während im nahen Osten zehntausende junger Männer auf der Grundlage vollkommener Ausweglosigkeit bereit sind, als lebende Bombe ein Fanal zu setzen?

Als Musiker und Komponist, und nicht zuletzt als Vater dreier Kinder, habe ich mir nach dem 11. September immer wieder diese Frage gestellt. Meine Antwort ist: Man kann. Unbedingt. Man muss sogar – aber es reicht nicht.

... George saß unbeweglich am Ufer und schaute auf seine rechte Hand, welche die Pistole weggeworfen hatte.

John Steinbeck, Of mice and men

Mallorca, 8.9.2001, 21.00 Uhr

Seine Finger bewegten sich unablässig. Fahrig fuhr die rechte Hand in die linke, dann die linke in die rechte, während sich die Fingerknöchel aneinander rieben. Die Sonne warf die letzten Strahlen über das rot-gleißende Wasser und verwandelte den Hafen von Palma de Mallorca in ein unglaubwürdiges Postkarten-Ambiente. Was hatte George gesagt? Warten sollte er, einfach nur warten. Er würde den Rest allein erledigen. Aber Lennie saß schon eine Ewigkeit auf dem sorgfältig aufgerollten Tampen am Kai, abseits der gleißenden Neonwelt, deren nächtliche Performance unmittelbar bevorstand. Warum durfte er nie dabei sein, wenn George auf Tour ging? Ärgerlich sprang Lennie auf und schoss eine leere Konservendose ins Wasser. In seinem Rücken raschelte irgendetwas. Hektisch fuhr er herum und blickte direkt in zwei gelbe Katzenaugen. Der große schwarze Kater verharrte regungslos, die linke Pfote hochgezogen, bevor er sich elegant davonmachte. Mit einem unwirschen Brummen ließ Lennie seinen massigen Körper auf ein umgedrehtes Boot fallen. Der sinnlose Aktivismus verließ ihn genauso plötzlich wieder, wie er gekommen war. Er wusste ja noch nicht einmal, wo George sich jetzt befand.

Vorabdruck aus Holger Biedermann, Von Ratten und Menschen, Kriminalroman , erscheint am 28.8. bei Edition Nautilus Hamburg, 84 S., 12,90 Euro, © Edition Nautilus