„Das gibt einen Flashback“

Drogenabhängige kritisieren die Einschränkung der städtischen Drogenberatung. Mit der neuen Unzuverlässigkeit im Tivoli-Hochhaus fehlt ihnen der Bezugspunkt.

Für Menschen ohne Halt bietet das Tivoli jetzt einfach zu wenig

„Das sind alles Leute, die darauf angewiesen sind.“ Harald (Name von der Redaktion geändert) redet für sich und andere Drogenabhängige, für die das Kontakt- und Beratungszentrum im Tivoli-Hochhaus am Bahnhof eine feste Anlaufstelle geworden ist. 80 bis 130 Menschen kommen hierher, wenn geöffnet ist – aber die Regelmäßigkeit lässt für die Junkies in den vergangenen Monaten zu wünschen übrig.

Denn der Drogenberatung fehlt das Personal (die taz berichtete). Mit inzwischen nur noch fünf statt bisher sieben festen MitarbeiterInnen muss der Beratungs-Betrieb jetzt laufen, hinzu kommen diverse geringfügig Beschäftigte. Das scheint viel, ist es aber nicht. Fünf Leute sind im Tivoli die Minimalbesetzung: Einer kümmert sich um den Spritzenaustausch, ein anderer guckt, wer ins Café kommt. Denn auch wenn das Tivoli-Angebot für alle offen ist, wollen die MitarbeiterInnen wissen, wer kommt. Es gibt eine Hausordnung zu wahren, im Café wird nicht konsumiert und nicht gedealt. Im Café selbst kümmert sich einer um die Getränke, ein anderer ums Essen, und einer steht für Gespräche zur Verfügung. Für 80 bis 130 Leute am Tag.

Wenn also einer ausfällt, bleibt das Tivoli zu. Und die Junkies auf der Straße. Das wiederum führt zu Beschwerden aus den Geschäften im Tivoli-Hochhaus. „Sonst steht öfter einer der Betreuer unten. Dann gehen die Leute“, erzählt Harald. Nun blieben sie eben. Und wüssten oft nicht, ob das Café geöffnet ist oder nicht.

Ein Minimalservice – Spritzentausch, medizinische Betreuung und Telefonmöglichkeit – bleibt zwar gewährleistet. Aber für die Menschen, die sonst oft wenig Halt haben, „ist das nicht genug“, sagt Harald. Er will den Betreuern nicht in den Rücken fallen: „Die machen für uns eine Top-Arbeit.“

Die Junkies vom Tivoli-Hochhaus definieren sich über ihre Zugehörigkeit zu der Einrichtung – wie die von der Hoppenbank oder anderen Orten auch. Doch für Beratung ist kaum noch Zeit, von Streetwork und Besuchen zuhause, im Krankenhaus oder im Knast ganz zu schweigen. Da scheint es fast nebensächlich zu sein,dass die Abhängigen, die hier auch ihre Wäsche waschen lassen können, darauf schon mal zwei Wochen statt der üblichen drei bis sieben Tage warten müssen.

Rund 150.000 Spritzen werden jährlich im Tivoli ausgetauscht, benutzte in sterile. Spritzen, die dann nicht auf der Straße oder auf Spielplätzen herumliegen. Aber so wie zumindest – noch – der tägliche Spritzentausch gewährleistet ist, ist es das Auffangen der offenen Szene nicht mehr. „Das kommt noch zurück“, ist sich Martin sicher, „das gibt noch einen Flashback.“

Aber erstmal fehlt den Abhängigen vom Tivoli die Zuverlässigkeit. „Die Unsicherheit ist riesig“, berichtet Harald an seinem Tisch im Tivoli-Café. „Sag mal“, fragt er einen vorbeigehenden Mitarbeiter, „habt ihr morgen auf?“ Die Antwort: „Wir hoffen.“

„Jemanden jetzt hierher zu schicken“, räsoniert Harald an seinem Tisch im Tivoli-Café, „in Kenntnis, wie es hier ist, das wäre schon gemein.“ sgi