Evergreen im Bendler-Block

Alle Jahre wieder: Rekruten schwören, Wehrpflichtgegner demonstrieren. Neu sind der Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) und die Anwesenheit eines polnischen Staatspräsidenten

von ANETT KELLER

Es war noch eine Idee Rudolf Scharpings, dass der polnische Präsident Aleksander Kwašniewski beim Gelöbnis zu den Rekruten der Bundeswehr sprechen sollte. Deutsch-polnische Freundschaft und so. Dies verleihe der Veranstaltung eine „enorme Dimension“, fand der nunmehrige Exminister. Die bekommt das Gelöbnis nun auch außerplanmäßig - durch die plötzliche Übernahme der Amtsgeschäfte durch Peter Struck. Der SPD-Fraktionschef wird heute also der Zeremonienmeister sein. Mit den Worten: „Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“, schwört der militärische Nachwuchs seine Treue.

Es ist das sechste öffentliche Gelöbnis in Berlin. Mittlerweile kann von „öffentlich“ allerdings keine Rede mehr sein. Im letzten Jahr wurden 2.000 Gäste von 1.500 Polizisten vor 500 Demonstranten geschützt. Wehrpflichtgegner versuchen seit Jahren, die Zeremonie zu stören. Medienwirksamste Erfolge der Kampagne gegen Wehrpflicht: Der „Aufmarsch“ nackter AktivistInnen auf dem Paradeplatz mitten im Geschehen 1999 und das Einschmuggeln von „Scharpings Töchtern“ im Jahr 2001.

Auch in diesem Jahr wird der Platz hermetisch abgeriegelt sein, damit 2.000 geladene Gäste, überwiegend Angehörige der Rekruten, ab 18 Uhr in Ruhe dem Staatsakt huldigen können. Um 15.30 Uhr wird sich der Demonstrationszug des „Gelöbnix 6 Bündnis“ gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär an der Friedrichstraße in Bewegung setzen. Der Zug unter dem Motto „Wir stören gern“ endet gegen 19 Uhr am Bendler-Block; wo auch sonst? Bereits am Mittag wird am gleichen Ort des verhinderten Hitler-Attentäters Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg gedacht, der heute vor 58 Jahren im Hof des Bendlerblocks von den Nazis erschossen wurde.

Gedenken würde auch gerne die Kampagne gegen Wehrpflicht – und zwar der Wehrmachtsdeserteure. Alljährlich legte die Kampagne an der „Gedenkstätte deutscher Widerstand“ im Bendlerblock Kränze nieder – nach der offiziellen Feierstunde. Zum ersten Mal nun untersagen Verteidigungs- und Innenministerium den Verweigerern das Betreten des Bendlerblocks um die Mittagszeit. Bislang sei man stets dabei gewesen, „um mit unserem Gedenken zugunsten der Deserteure und Kriegsverweigerer im Nationalsozialismus einen Kontrapunkt zu setzen“, sagt Ralf Siemens von der Kampagne. Noch immer werde der Widerstand ganz bewusst ignoriert, meint er. Dabei hätten gerade die Deserteure „mit ihrem entschiedenen Schritt der Fahnenflucht die eigene Verantwortung deutlich gemacht“. Das Verbot sei „ein Skandal“, findet Siemens. Schließlich habe erst vor zwei Monaten der Bundestag die Deserteure pauschal rehabilitiert. Und überhaupt: Gedenkstätten seien öffentliche Plätze.