„Au, det geht rund!“

Gerhard Krienelke ist Kleinaktionär der Bankgesellschaft. Und er ist empört. Deshalb ist er gestern zur Hauptversammlung gekommen und freut sich über den Protest

„Es lohnt sich, was von unten zu machen“, sagt Gerhard Krienelke. Er ist Kleinaktionär der Bankgesellschaft Berlin. Nie hätte der 65-Jährige gedacht, dass er sich jetzt als „Privatier“, wie er sich nennt, „noch mal richtig ins Politische reinhängen will“.

Denn „obwohl man immer objektiv bleiben muss“, wie Krienelke sagt, ist er empört. Die Stimmung der anderen Kleinaktionäre, die der Einladung zur Hauptversammlung gefolgt sind, unterscheidet sich davon nicht. Sie sind im doppelten Sinn Verlierer des Geschäftsgebarens der „Bankgesellschaftsmafia“. „Als Kleinaktionär habe ich etwa 3.000 Euro verloren, aber als Steuerzahler verliere ich viel mehr. Die Stadt geht kaputt. Das Soziale in der Stadt geht kaputt.“ Für einen echten Berliner wie ihn unerträglich.

Kleinaktionär ist Krienelke geworden, weil seine Frau 25 Jahre bei der Sparkasse gearbeitet hat. Regelmäßig wurden den Bankangestellten Vorzugsaktien angeboten. Viele von ihnen sind ins ICC gekommen. Sie bestätigen, was Barbara Krienelke sagt: dass nach der Fusion der Sparkasse mit der Berliner Bank das Arbeitsklima in den Filialen allmählich schlechter wurde. „Der Leistungsdruck wurde größer. Plötzlich sollten wir nur noch verkaufen, verkaufen. Hier einen Bausparvertrag, da einen hauseigenen Fonds, dort eine Lebensversicherung.“ Es sei darum gegangen, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, das Kundenvertrauen zu missbrauchen.

Früher drehte sich in Gerhard Krienelkes politischem Denken alles um die Wiedervereinigung. Mit ihr im Hinterkopf hat er sich als ausgewiesener Wechselwähler durch die verschiedenen Parteien gezappt, bis es so weit war. „Ich war tränenreich, als die Mauer fiel. Geglaubt, dass es so kommt, hatte ich nie.“

Bald nach dem Mauerfall merkte er, dass das Interesse an Berlin in die falsche Richtung geht. Größenwahn und Geld standen im Vordergrund. „Da hab ich mich dem Sozialistischen zugewandt.“

„Knast für Landowsky, Rupf und Co“ steht auf Krienelkes T-Shirt. Er hat sich der Initiative Berliner Bankenskandal angeschlossen und applaudiert, als die jungen Aktivisten im Saal für minimalen Aufruhr sorgen. Sie rennen zwischen Aufsichtsrat und Vorständen auf der Bühne herum und werfen ihnen ihr „letztes Hemd“ vor die Füße. „Au, det geht rund!“, freut sich Krienelke. Er braucht keine Revolution. Schon wenn jemand den Mund aufmacht, sieht er, dass was gewonnen ist. Trotzdem, der frühere Chemielaborant bei Schering, der auch Schering-Vorzugsaktien hat, glaubt, dass der Bankenskandel die Berliner aufrütteln wird, wenn sie soziale Verarmung und persönliche Bereicherung addieren. „Meine Zukunft wird das bestimmen“, sagt er, „und das mit der Globalisierung gibt mir auch zu denken.“ WALTRAUD SCHWAB